Die Pelzhändlerin (1. Teil)
gehört. Und während die Kürschner die Hoffnung auf guten Ostgeschäfte aufgegeben hatten, glaubte Susanne fest an die Rückkehr des Vaters, weil sie davon überzeugt war, dass sie als Tochter eines Kürschnermeisters zu fein zum Arbeiten in einer Schneiderei war.
«Wenn Vater erst wieder daheim ist», hatte sie mehr als einmal Sibylla gedroht, «dann wird er Euch dafür strafen, dass Ihr mich in die Lehre gegeben habt. In eine Schule gehöre ich, in ein Kloster, um dort die feine Lebensart zu erlernen. Seht selbst, meine Hände sind schon ganz zerstochen vom Umgang mit der Nadel.»
Sibylla hatte keine Lust, sich auf Streitereien mit diesem undankbaren Geschöpf, das obendrein ebenso eitel und dumm wie sein Vater war, einzulassen. Sie strich ihr das Kleidergeld und erwiderte auf Susannes Aufbegehren: «Du lernst die Schneiderei und kannst dir ab sofort deine Kleider selbst nähen. Sag Meister Schulte, was du für Stoffe brauchst, und bekümmere dich um den Rest selbst.»
Sibylla hoffte, auf diese Art das Interesse des Mädchens an ihrer Arbeit zu wecken, doch groß war ihre Hoffnung nicht. Wie gut, dass wenigstens Schultes Sohn Volker Begeisterung und Geschick für die Arbeit zeigte, sodass die Werkstatt einen guten Nachfolger haben würde.
Schon jetzt stand Volker neben seinem Vater am Messestand und schmeichelte den Frauen mit schönen Worten, damit sie stehen blieben und die Auslagen betrachteten.
Sibylla lächelte, als sie ihn beobachtete, und bedauerte einmal mehr, keine eigenen Kinder zu haben. Vier Wochen noch, dann würde sich auch dieser Zustand ändern, und sie würde ein Kind haben, das ihren Namen trug und eines Tages ihr Geschäft übernehmen konnte. Sie hoffte nur, dass es Schieren nicht allzu sehr ähneln würde.
Sibylla schlenderte durch die Gassen der Tuchmacher und Leinenweber, kaufte hier einen Ballen bester Spitze, da Gläser aus Böhmen und gutes englisches Tuch. Auf die Fellauktionen hatte sie diesmal Heinrich geschickt. Ihr Geschäft war inzwischen so gewachsen, dass sie für derlei Dinge selbst keine Zeit mehr hatte. Ihre Aufgabe war es, neue, seltene Waren einzukaufen, die großen Verkäufe zu tätigen und sich inspirieren zu lassen.
Die neueste Mode kam diesmal wieder aus Italien und ließ Sibyllas Herz höher schlagen. Lucia hatte ihr über einen Fernkaufmann einen Umhang aus gefärbtem Fell geschickt. Auch auf der Messe sah sie bereits die ersten Italienerinnen, die es sich trotz der ungeheuren Hitze nicht nehmen ließen, gefärbte Felle zur Schau zu stellen.
Gefärbte Felle! Sibylla musste herausfinden, wie dieses Kunststück gelungen war. Immer wieder kämmte sie den Umhang, doch sie fand keine Hinweise auf den Färbstoff. Safran schied aus, das hatte sie selbst versucht. Die gelbe Tönung machte die Stücke nur unansehnlich. Außerdem war das Gewürz wahnsinnig teuer. Allein dieser Versuch hatte sie ein kleines Vermögen gekostet. Kein Frankfurter würde für ein auf diese Art gefärbtes Pelzwerk einen Preis bezahlen, der weit über dem der ungefärbten Stücke lag.
Sibylla überlegte und probierte weiter. Sie zerstampfte in einem Mörser Unmengen zarter Birkenblätter, doch um einen grünen Farbbrei zu erhalten, mussten sie mit Eiklar gemischt werden, das sich nicht zum Färben eignete. Die Reste würden in den Pelzen hängen und nach kurzer Zeit schon zu stinken beginnen. Auch das Rot der Purpurschnecke war für Pelze nicht geeignet. Fanden die Farbpigmente in Stoffen und Tuchen einen Halt, so verhinderte die Lederhaut der Pelze, dass die Farbe in die Poren drang und die fertigen Schauben oder Umhänge in einem leuchtenden Rot erstrahlten.
Noch einmal nahm sie den Brief Lucias, der den Umhang begleitet hatte, und las ihn:
Liebe Sibylla,
in Florenz ist es jetzt Mode, auch Pelzwerk zu färben. Ich schicke dir einen Umhang mit, den ich beim besten Kürschner der Stadt erworben habe. Natürlich kann ich mir denken, dass du begierig sein wirst zu erfahren, wie man das Pelzwerk färbt. Und so habe ich den Meister gefragt. Du kennst die Handwerker. Ein jeder hat sein Geheimnis und möchte es um keinen Preis der Welt verraten. Glaub mir, ich habe all meinen Liebreiz eingesetzt, doch der Meister blieb hart. Einzig, dass er eine Waidpflanze zum Färben benutzt, konnte ich ihm entlocken.
Ich hoffe, das hilft dir schon.
Ich denke jeden Tag an dich, liebe Freundin, und befehle dich Gott an.
Deine Lucia
Eine Waidpflanze? Sibylla hatte noch nie davon gehört. Was war das? Sie kannte
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