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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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schüttete sich in einen anderen Graben, wo es zwischen den Metzgereiresten unsichtbar versickerte.
    In der Küche wusch sie die Kanne sorgfältig aus, stellte sie zurück an ihren Platz, verstaute auch den Weidenkorb, dann ging sie zu Bett.
    Am nächsten Morgen kam Barbara sehr verstört von ihrem Brunnengang zurück und verbreitete beim Frühstück die neuesten Nachrichten.
    «Der Teufel selbst war bei Sachs», erzählte sie mit vor Aufregung roten Wangen. «Eine blutige Hufspur zog sich um das ganze Gebäude, und an der Tür soll eine gekreuzigte Katze gehangen haben.»
    Barbara bekreuzigte sich. «Die Mägde erzählen, dass Sachs nach dem Priester geschickt hat, um den Teufel zu vertreiben. Doch der Priester sei nicht gekommen. Erst müsse der Teufel, der im Haus wohne, weg, dann würde er kommen. Keine Stunde früher.»
    «Und Sachs?», fragte Sibylla und warf einen Seitenblick auf Maria, die schon wieder mit den Tränen kämpfte. «Was hat Sachs dann getan?»
    «Nichts», erwiderte Barbara. «Was soll er schon tun? Jammern, Klagen und Beten sind das Einzige, was ihm noch bleibt.»
    Sibylla lächelte zufrieden. Ein paar Tage nur noch, dachte sie, dann habe ich es geschafft. Dann würde der Rat zusammentreten, und sie würde dafür sorgen, dass er Thomas aus der Stadt verbannte. Dann würde sie ihn nie wieder zu Gesicht bekommen, und Maria würde es danach sicher besser gehen.
     
    Am nächsten Morgen hing der Himmel grau und schwer wie ein nasses Tuch über der Stadt. Die Kälte hatte über Nacht Einzug gehalten in Frankfurt, und die Luft roch nach Schnee. Raben und Krähen saßen krächzend auf den Dächern, und Sibylla erschauerte, als sie auf die Krämergasse hinaustrat. Heinrich, der neben ihr ging, um ungegerbte Felle zu Hintzens Werkstatt zu bringen, sah prüfend zum Himmel.
    «Es scheint, als käme der Winter in diesem Jahr zu früh. Ich kann mich nicht erinnern, dass es einmal vor Dezember Schnee gegeben hat», sagte er.
    «Auch der Sommer war ungewöhnlich», antwortete Sibylla. «Es würde mich nicht wundern, wenn es heute noch Schnee gäbe.»
    «Meint Ihr, der Teufel habe damit zu tun?», fragte Heinrich und betrachtete die Raben, die es sich auf dem Dach eines Bäckerhauses bequem gemacht haben.
    «Ich weiß es nicht», erwiderte Sibylla. «Doch eines ist sicher: Seit der Teufel in der Stadt ist, spielt sogar das Wetter verrückt. Wundern würde es mich nicht, wenn statt Schnee Blut vom Himmel fiele.»
    «Zeit wird es, dass der Rat einschreitet», brummelte Heinrich und zog fröstelnd die Schultern zusammen.
    Sibylla aber beschloss, der Ratsherrin Willmer einen Besuch abzustatten. Auf der Messe hatte sie einige kostbare Stücke aus venezianischem Glas eingekauft. Diese würden ihr als Vorwand dienen, um die Willmerin aufzusuchen.
    Doch die Willmerin hatte kein Interesse an venezianischem Glas, betrachtete gleichgültig die geschliffenen Schalen und Karaffen.
    «Nein, Schierin. Glas ist nicht das Richtige für mein Haus. Dinge aus Gold suche ich. Eine fein zieselierte Kanne, ein gravierter Leuchter. Glas ist zu zerbrechlich. Außerdem hält der Glanz nicht lange. Bald werden die Schalen blind sein.»
    «Ihr müsst sie mit Seifenlauge spülen», erwiderte Sibylla lächelnd. «Der Rauch der Wachslichter setzt sich im Schliff fest.»
    «Nein, nein. Glas ist mir nicht geheuer. Findet Ihr es nicht auch seltsam, dass das Kerzenlicht im Glas seine Farben verändert? Grün und blau, rot und gelb schimmert das Glas. In diesen Zeiten bin ich lieber vorsichtig mit Dingen, die ich nicht verstehe. Zu leicht holt man sich den Teufel ins Haus.»
    «Habt Ihr auch von den blutigen Hufspuren in der Gerbergasse gehört?», fragte Sibylla.
    Die Willmerin nickte. «Angst und bange wird mir, wenn ich daran nur denke», flüsterte sie. «Ich habe schon für alle Kirchen der Stadt dicke Wachslichter gestiftet.»
    In diesem Moment segelten die ersten dicken Schneeflocken vor dem Fenster vorbei.
    «Seht nur, Willmerin, es schneit!», rief Sibylla in gespielter Angst aus. «Schnee im November! Das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben! Der Winter wird wohl genau so unberechenbar werden, wie der Sommer es war. Oh, Gott, welche Sünde hat die Stadt nur auf sich geladen, dass Gott sie so straft!»
    Die Willmerin war aufgesprungen und zum Fenster geeilt. «Meint Ihr, der Schnee ist ein Teufelswerk?», fragte sie ängstlich.
    Sibylla zuckte die Achseln. «Wer weiß das schon? Es ist ein Kennzeichen des Teufels, dass er sich nicht

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