Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Schicksal einer Wäscherin zu ersparen. Weil es mir selbst ähnlich gegangen ist und ich vor Gott einen Schwur getan habe, dachte Sibylla. Aber auch, weil du mir im Schulte-Haus noch gute Dienste leisten kannst. Doch laut sagte sie, ohne dabei zu lügen: «Ich habe dich lieb gewonnen, Maria. Lieb wie eine Schwester, die ich nicht habe. Ich möchte, dass es dir gut geht.»
Schon wieder kämpfte das empfindsame Mädchen mit den Tränen, doch an großartigen Dankesbezeigungen wurde sie von Susanne gehindert.
«Und ich? Was geschieht mit mir? Komme ich jetzt endlich in ein Kloster, um eine vornehme Erziehung zu genießen?»
«So ähnlich», antwortete Sibylla. «Ich habe tatsächlich beschlossen, aus dir einen Menschen zu machen, der etwas taugt. Doch nicht in einem Kloster, nein. Du gehst ab morgen zum Gerbermeister Sachs und wirst ihm als Magd dienen.»
«Niemals!», schrie Susanne und stampfte vor Wut mit dem Fuß auf. «Niemals gehe ich als Magd! Ihr wisst wohl nicht, wen Ihr vor Euch habt? Ich bin die Tochter eines Kürschnermeisters! Bin nicht zur Magd geboren.»
Sibylla zuckte gleichgültig mit den Achseln. «Du wirst es nicht verhindern können», entgegnete sie. «Dein Vater, der Kürschnermeister, ist nicht da, wie du weißt. Ich vertrete ihn in allen Angelegenheiten. Und wenn ich bestimme, dass du für einige Zeit als Magd zu Sachs gehst, so wirst du es wohl oder übel tun müssen. Vielleicht zeigst du dich anstellig, sodass ich dich eines Tages zu mir in die Werkstatt nehmen kann. Aber noch bist du dafür zu dumm und zu ungehorsam.»
Wieder stampfte das Mädchen mit dem Fuß auf: «Ich gehe nicht zu Sachs, nein!»
«Gut. Wie du willst. Ich habe dir die Möglichkeit gegeben, eines Tages die ehrbare Frau eines Handwerksmeisters zu werden. Du hast diese Gelegenheit nicht genutzt. Nun wirst du tun, was ich sage, oder aber versuchen, dich auf eigene Faust durchs Leben zu schlagen. Mach, was du willst.»
«Ich werde zu meinem Paten gehen. Ich werde mich beschweren!», kreischte Susanne.
«Tu das», antwortete Sibylla ruhig. «Doch mit deinem Paten, dem Zunftmeister Wachsmuth, habe ich bereits gesprochen. Auch er ist nicht gewillt, dich aufzunehmen. Er nicht, und die anderen Kürschnermeister auch nicht. Niemand möchte sich ein junges Weib ins Haus holen, das keinen roten Heller besitzt und obendrein noch dumm und faul ist. Froh kannst du sein, dass Sachs dich will. Er braucht eine Jungfrau im Haus, um den Teufel zu vertreiben. Ich denke, dafür bist du genau die Richtige.»
Jetzt, da Susanne merkte, dass es keine Rettung für sie gab, verlegte sie sich aufs Bitten.
«Stiefmutter, ich gelobe Besserung. Schickt mich zurück zu Schulte. Ich werde alles tun, was er sagt, werde fleißig und strebsam sein. Maria ist keine von uns. Ihr könnt sie doch nicht mir vorziehen.»
«Du hast die Gunst des Augenblicks nicht genutzt. Jetzt nimm, was du noch kriegen kannst. Wenn du dich übers Jahr gebessert hast, dann sehen wir weiter», erwiderte Sibylla unnachgiebig und beendete damit das Gespräch.
Schon am Mittag des nächsten Tages war der Tausch vollbracht. Meister Sachs nahm Susanne sofort mit, auch wenn das Mädchen sich dagegen wehrte.
Maria dagegen packte ihre wenigen Sachen und lächelte zum ersten Mal seit Monaten wieder, als Volker, Schultes Sohn, sie in ihr neues Zuhause geleitete.
Jetzt, nachdem alle Angelegenheiten zu Sibyllas Zufriedenheit gediehen waren, der kleine Christoph noch immer prächtig wuchs und gedieh und jedes Mal lächelte, wenn Sibylla ihm und der Amme einen Besuch abstattete, konnte sie sich wieder um ihre Geschäfte kümmern.
In der Kürschnerei lief dank Heinrichs alles wie am Schnürchen. Die Gesellen erledigten ihre Arbeiten pünktlich und ordentlich, und Pelzwaren aus dem Haus in der Krämergasse erfreuten sich nach wie vor des besten Rufes. Endlich kamen nun auch die Kunden, die Sibylla seit Jahren herbeisehnte. Die meisten der angesehenen Familien Frankfurts kauften inzwischen bei ihr und ließen sich auch die Wohnungen richten. Doch noch immer gab es einige wenige, deren Namen nicht auf ihrer Kundenliste auftauchten. Die reiche Kaufmannsfamilie Heller gehörte dazu, die Familien Stalburg und von Melem, die von Holzhausen und von Metzler. Doch diese, hieß es, ließen zumeist in Italien fertigen.
Ich muss die italienische Mode nach Frankfurt bringen, überlegte Sibylla und erinnerte sich wieder an die gefärbten Pelze, die auf der letzten Messe für Aufsehen gesorgt
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