Die Pelzhändlerin (1. Teil)
abseits, wurde von der Menge gemieden. Sein Gesicht war grau und eingefallen. Tiefe Sorgenfalten hatten seine Stirn gefurcht.
«Es tut mir Leid, Meister Sachs», sagte ihm Sibylla.
Sachs schüttelte müde den Kopf. «Nur Unglück hat mir dieser Kerl gebracht. Nur Kummer und Sorgen. Vom ersten Tag an. Alle Kunden hat er mir vertrieben. Ich weiß kaum noch, wovon ich Brot kaufen soll. Werde wohl die Stadt verlassen müssen. Wer wagt sich schon in ein Haus, in dem der Teufel zugange war?»
«Ihr seid ein gottesfürchtiger Mann, Meister Sachs. Die Leute wissen, dass Ihr nichts Unrechtes getan habt. Bald schon werden sie Euch wieder ihre Felle zum Gerben bringen.»
«Euer Wort in Gottes Ohr, Schierin. Doch ein neues Haus bräucht ich mindestens, um weiterleben zu können. Das Geld dafür fehlt mir.»
«Kommt morgen zu mir in die Krämergasse», schlug Sibylla vor. «Ich glaube, ich kann Euch helfen.»
Am nächsten Tag erschien Meister Sachs wie vereinbart nach dem Frühstück bei Sibylla. Sie ging mit ihm in die Meisterstube, weil sie nicht wollte, dass die Gesellen und anderen Angestellten im Haus ihr Gespräch verfolgten.
Meister Sachs wirkte noch immer bekümmert.
Sibylla bot ihm einen Becher Wein an, dann sagte sie: «Ich könnte Euch helfen, Sachs. Ihr habt immer gute Arbeit geleistet, wart immer freundlich und ehrlich.»
Sachs schaute Sibylla erwartungsvoll an.
«Ich kaufe Euch ein Haus mit neuer Werkstatt», sagte sie. «Die Besitzerin der Gerberei Sachs bin dann ich. Ihr gerbt allein meine Sachen, und ich zahle Euch einen Lohn dafür. Euern Sohn verheiratet Ihr mit Maria. Wenn Ihr nicht mehr seid, wird er die Werkstatt weiterführen.»
«Mein Sohn ist versprochen», entgegnete Sachs. «Er soll die Tochter des Färbers Wiedmann heiraten. Die Zunft hat schon Kenntnis davon, das Verlöbnis ist bekannt gemacht, der Junge soll die Färberei übernehmen. Froh bin ich, dass ich ihn untergebracht habe.»
«Hhhm», überlegte Sibylla. «Und wie sollte es mit Eurer Gerberei weitergehen?»
Sachs zuckte mit den Achseln. «Die Zünfte der Färber und Gerber liegen dicht beieinander. Es ist nicht unüblich, dass eine Färber- mit einer Gerberwerkstatt zusammengeht. So ist’s auch abgesprochen mit Wiedmann. Und ich gedenke mich an diese Abmachung zu halten.»
«Wollt Ihr dem Buben das Teufelshaus mit in die Ehe geben?», fragte Sibylla mit leisen Spott.
Sachs hob die Arme. «Ein anderes habe ich nicht. Und einen Käufer dafür werde ich auch nicht finden.»
Wieder überlegte Sibylla. Unvernünftig wäre es, Sachs noch weiter zu drängen. Ich muss mir etwas anderes überlegen, um in den Besitz einer Gerberei zu gelangen. Sachs ist ein Ehrenmann. Er soll nicht noch mehr Schaden haben.
«Wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, Schierin, so habe ich da einen Einfall, der vielleicht etwas taugt», brachte sich Sachs wieder in Erinnerung. «Der Teufel, sagte man, hat keine Macht über ein Haus, in dem eine Jungfrau lebt. Wenn Ihr eine Jungfrau wüsstet, die ich in Ehren bei mir aufnehmen kann, so könnte ich die Werkstatt und das Haus halten.»
«Eine Jungfrau?», fragte Sibylla. «Woher soll ich eine Jungfrau nehmen?»
Sachs zuckte mit den Achseln. «Ich weiß es nicht, Schierin. Wüsste ich mir einen Rat, so hätte ich ihn längst befolgt.»
«Gut», erwiderte Sibylla. «Ich werde darüber nachdenken. Kommt morgen zu selben Zeit noch einmal. Vielleicht weiß ich dann, was zu tun ist.»
Unruhig lief Sibylla in der Meisterstube auf und ab. Woher sollte sie eine Jungfrau nehmen? Und überhaupt: Was nützte es ihr, wenn Sachs eine Jungfrau bekam? Deshalb hatte sie noch immer keine Gerberei, die sie ihr Eigen nennen und deren Preise sie bestimmen konnte. Auf der anderen Seite tat Sachs ihr Leid. Er hatte es wahrlich nicht verdient, unter Thomas leiden zu müssen. Sibylla hatte ihre Rache, hatte den Mann, der sie schänden wollte, bestraft. Doch Sachs hatte es auch getroffen. Sibylla fühlte sich verantwortlich. Sie würde Meister Sachs helfen. Das war sie ihm schuldig. Schuldig war sie es auch Gott, vor dem sie vor vielen Jahren einen Schwur getan hatte.
Den halben Tag lief sie nachdenklich in der Werkstatt auf und ab. Als die Dämmerung sich gerade über die Stadt senkte, wusste sie, was zu tun war.
Wieder hüllte sie sich in ihren Umhang und eilte die Krämergasse entlang. Meister Schulte saß noch bei der Arbeit, als sie in seinem Haus eintraf.
«Nach Susanne, der Stieftochter, wollt ich sehen und hören, wie
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