Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Stolz. «Du siehst aus wie Sibylla. Glaub mir, du wirst ihr alle Ehre machen.»
«Nicht ihr, uns will ich Ehre machen», erwiderte Luisa ernst.
Sie sah ihrer Mutter in die Augen und las darin neben der Freude leise Furcht, aber auch Auflehnung. Es war der Widerstand derjenigen, die sich vom Schicksal oder von Gott betrogen wussten und nun entschlossen waren, ihr Geschick in die eigenen Hände zu nehmen.
Die beiden Frauen lächelten sich an, zuerst noch zaghaft und beinahe entsetzt über den eigenen Wagemut, dann breiter, und schließlich brachen sie in lautes Gelächter aus, das nicht unbedingt fröhlich, dafür aber kraftvoll und entschlossen klang.
Der nächste Tag war der Sonntag, der letzte Tag Luisas in ihrem alten Leben. Die gesamte Besenbinderfamilie war in aller Frühe mit ihrem Karren zu einem Jahrmarkt in eines der umliegenden Dörfer gezogen, um dort ihre Besen anzubieten. Bis zum Abend würde das Haus still und verlassen sein.
Martha hatte eimerweise Wasser vom nahen Main herangeschleppt und erhitzte es nun über dem Herdfeuer der Besenbinder. Auch einen Zuber hatte sie vom Hof hereingeholt, um Luisa ein Bad zu bereiten.
Luisa stand dabei, beide Hände wieder mit ölgetränkten Lappen umwickelt, und sah ihrer Mutter zu.
Wie jung sie heute aussieht, dachte sie und betrachtete Marthas gerötete Wangen in dem sonst so grauen Gesicht. Ihre Bewegungen waren fließend und zeigten keine Anzeichen von Schmerz. Kraftvoll goß sie das heiße Wasser in den Zuber, schüttete mit Schwung kaltes hinterher. Ihre Augen glänzten, und selbst ihre Hände wirkten heute glatter und weniger rau als sonst.
«Mutter, lass mich dir helfen. Nimm mir die Wickel ab», bat Luisa, der es Unbehagen bereitete, zuzusehen, wie Martha sich für sie abschuftete.
Martha lächelte und pustete sich übermütig eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Du bleibst, wo du bist und wie du bist», bestimmte sie. «Wirst dich sowieso bald daran gewöhnen müssen, dass deine Mutter im Wöhlerhaus die Schmutzwäsche besorgt für dich.»
«Das kann ich nicht. Niemals», erwiderte Luisa erschrocken. «Schuldig wäre ich ab meinem ersten Tag als Meisterstochter, und du wärest die stete Zeugin dieser Schuld.»
«Dann wirst du mich aus deinen Diensten entlassen müssen», sagte Martha ernst.
Luisas Blick verdunkelte sich. Sie schwieg, hielt den Kopf gesenkt und biss sich auf die Lippen.
Martha stellte den Eimer aus Rindshaut auf den Boden, kam zu ihrer Tochter, nahm sie in den Arm und wiegte sie hin und her.
«Du musst stark sein, Luisa. Das Leben im Kürschnerhaus wird nur körperlich leichter sein als dein bisheriges. Vieles wird geschehen, was dir wehtut. Dieser Rollentausch ist kein Kinderspiel. Er wird dir viel abverlangen. Dinge, die du bisher nicht kanntest. Aber du wirst stärker werden dabei. Mit jedem Tag ein bisschen mehr.»
«Ich kann mein Aussehen verändern, meine Frisur, meinen Gang. Aber meine Gedanken werden sich nur schwer verändern, und meine Vergangenheit und alles, was ich erlebt habe, wird so bleiben», flüsterte Luisa.
Martha strich ihrer Tochter sanft mit dem Finger über die Wangen.
«Komm, wir haben noch viel vor heute. Es wird Zeit, dass du in den Zuber steigst», sagte sie und half ihrer Tochter beim Auskleiden.
Als Luisa nackt, noch immer mit umwickelten Händen, im Zuber saß, überkam sie der Abschiedsschmerz.
«Ich werde dich vermissen, Mutter», flüsterte sie.
«Jeden Donnerstag wirst du mich sehen», erwiderte Martha tröstend. «Das ist mehr als zu deiner Zeit im Siechenhaus.»
«Aber wir werden niemals wieder Mutter und Tochter sein.»
«Du brauchst mich als Mutter nicht mehr, Luisa. Du wirst einen Mann finden, heiraten und Kinder ehrlicher Abstammung bekommen. Du wirst nicht schutzlos sein, sondern einen guten Mann haben, der für dich sorgt und dir sagt, was du tun sollst. Vor allem aber wirst du eine richtige, vollständige und von anderen anerkannte Frau sein, die die Aufgaben, die sie von Gott aufgetragen bekam, erfüllen kann.»
Martha betrachtete den nackten Körper ihrer Tochter, die zarte, unberührte Haut, die schmalen und doch kräftigen Schultern, die runden, kleinen Brüste, den flachen Bauch und die dünnen Schenkel, die Luisa fest zusammenpresste.
Wie lange wird es noch dauern, bis ein Mann diesen Körper nimmt?, fragte sie sich im Stillen, verteilte ein wenig Seife in ihren Händen und wusch Luisas Rücken, streichelte dabei die unberührte, makellose Haut, die noch nichts von
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