Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Rundgang durch das Haus, durch ihr neues Zuhause. Sie musste sich eilen, denn bald würden die Gesellen aus der Zunftstube zurückkommen. Sibylla-Luisa wollte ihnen heute nicht gegenübertreten, sondern bis zum morgigen Tag abwarten. Doch bis dahin musste sie das Haus ein wenig kennen gelernt haben, um sich darin bewegen zu können, als hätte sie es von Kindesbeinen an getan.
In der Küche begann sie. Der einzige Raum, in dem die Frau das Sagen hat, dachte sie und betrachtete die Kupferkessel, die blank geschrubbt und glänzend an einem Gestell neben dem gemauerten Herd hingen. Im Regal standen neben Schüsseln und Platten aus grauem Ton mit blauer Lasur zahlreiche Krüge und Becher, das Alltagsgeschirr. Auf den Fenstersimsen verströmten Kräutertöpfchen ihren würzigen Duft, und die Vorratskammer hing voller Würste, Speck und Schinken. Mehrere Fässer in unterschiedlichen Größen und gefüllt mit Sauerkraut, Apfelwein oder Bier standen da, Rüben, Zwiebeln und Äpfel lagen in Kiepen, sogar ein halber Laib Käse, der verlockend roch, lag neben Schüsseln voller Eier und ausgelassenem Schmalz.
Zufrieden betrachtete Sibylla-Luisa die Schätze und füllte in Gedanken bereits einen Korb mit Lebensmitteln für ihre Mutter. Ihr selbst wäre das Wasser im Mund zusammengelaufen, hätten ihr nicht Angst und Aufregung die Kehle zugeschnürt. So trank sie nur einen Schluck Wasser, dann nahm sie den Leuchter und ging weiter. Die Werkstätten ließ sie aus und begab sich gleich in das Wohnzimmer im ersten Geschoss. Hier waren die Wände mit Holz vertäfelt, der Boden mit dunklen Teppichen belegt. Von der Decke hing ein eiserner Leuchter herab, der mit Lichtern aus Wachs bestückt war. Auch hier stand ein großer Tisch, der von gepolsterten Lehnstühlen umgeben war, und die Bänke, die sich um den Kamin drängten, waren mit Kissen belegt.
Unter den Fenstern, die von dunklen Samtvorhängen eingerahmt waren, standen mit weichen Fellen bedeckte Truhen, die als zusätzliche Sitzgelegenheiten dienten. Sibylla-Luisa öffnete sie und staunte beim Anblick der vielen Leintücher, die sie zwar aus anderen Waschküchen kannte, aber noch niemals selbst besessen hatte. Behutsam strich sie mit den Fingern über den dichten Stoff, drückte ein Stück Spitze an ihre Wange und freute sich an den gestärkten Tüchern und Decken. Sie fühlte sich reich angesichts der kostbaren Dinge hier im Haus, angesichts der vollen Kammern und Truhen, angesichts auch des wertvollen Zinngeschirrs und der Kristallkaraffe, die sie in einem Wandschrank des Wohnzimmers gefunden hatte.
Zum Schluss ging sie in die Meisterstube, nahm – ein wenig zögerlich – hinter dem Kontortisch Platz, klappte das Auftragsbuch auf, blätterte darin und starrte auf die vielen Zahlen, die ihr nichts sagten.
Auf der Gasse wurde es laut. Männerstimmen waren zu hören, jemand grölte ein Lied. Schnell eilte sie zurück in ihre Kammer, löschte das Licht und saß mit angehaltenem Atem auf dem Bett. Sie lauschte angespannt den schweren Schritten zweier Männer, die die Treppe erklommen, hörte eine Tür schlagen, dann herrschte wieder Stille im Haus.
Plötzlich bemerkte sie ihre Müdigkeit. Sie zog die Stiefel aus, legte das Kleid ordentlich auf die Truhe und sank in das Bett, das ihr so groß, weich und herrlich erschien wie eine Himmelswolke. Gleich darauf war sie eingeschlafen.
Als sie am nächsten Morgen von den Geräuschen im Haus geweckt wurde, wusste sie nicht sofort, wo sie war. Doch dann erinnerte sie sich, und ihr Herz begann wieder aufgeregt und ängstlich zu schlagen. Jetzt musste sie sich der Magd und den Gesellen zeigen. Jetzt kam der Augenblick, in dem unwiderruflich aus Luisa Sibylla wurde. Sie straffte die Schultern, strich sich mit der Bürste langsam über das Haar, um sich zu beruhigen. Dann atmete sie noch einmal tief durch, verließ ihr Zimmer und stieg die Treppe hinunter.
Plötzlich ging die Küchentür auf, und Barbara, die Magd, trat in den Flur. Als sie Sibylla sah, schlug sie die Händen über dem Kopf zusammen und rief voller Erstaunen: «Herr Jesus, die Sibylla. Wo kommt Ihr denn so plötzlich her?»
Sie ging auf das Mädchen zu, um es zu umarmen, doch Sibylla bewegte sich nicht, lächelte auch nicht, sah ihr ernst entgegen, ohne zu antworten. Das Herz schlug ihr bis zum Halse, aus Angst, schon jetzt als Betrügerin entlarvt zu werden. Barbara spürte die Abwehr und fasste Sibylla nur an den Händen.
«Groß seid Ihr geworden, Sibylla.
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