Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Fugger sich weiter mit Isaak Kopper über medizinische Neuheiten unterhielt – auch Fugger war ein überaus gebildeter Mann mit großem Interesse an den Wissenschaften –, trat Sibylla an eines der großen Fenster und blickte neugierig hinunter in den großen Hof der Faktorei, auf dem es zuging wie zur Messe auf dem Römerberg. Wagen wurde be- und entladen. Knechte schleppten Tuchballen, rollten Fässer, Kontorschreiber standen mit dicken Büchern neben der riesigen Waage. Rufe und Lachen schallten über den Hof.
Fugger und Isaak gesellten sich schließlich zu ihr. «Ihr seht den Mittelpunkt des deutschen Handels in Italien», erklärte Fugger. «Jeder Kaufmann, der im Ausland Geschäfte macht, hat hier ein eigenes Kontor.» Er zeigte mit dem Finger auf das gegenüber liegende Gebäude. «Seht, da drüben ist das Kontor der Welser aus Augsburg, links davon haben die Hellers aus Frankfurt ihre Zelte aufgeschlagen. Daneben findet Ihr die Pforzheimer Goldschmiede, die Leipziger Buchdrucker und die Diamantenschleifer aus Idar-Oberstein.»
Beeindruckt sah Sibylla sich um. Wer hier in der Faktorei Tedeschi, der deutschen Handelsniederlassung, sein Kontor hatte, der galt in der Welt der Kaufleute etwas, war weit über die Grenzen seiner Stadt hinaus bekannt.
«Nun», erinnerte Fugger an den Grund ihres Besuches. «Habt Ihr einige Pelzwaren, die Ihr mir zeigen könnt?»
Sibylla nickte. Sie fühlte sich plötzlich befangen. Für Frankfurter Verhältnisse reichte ihr Können allemal aus, aber konnten sie und ihre Waren in der Faktorei bestehen? Würde sie sich nicht blamieren?
Schüchtern wies sie den Träger an, die Pelze auszubreiten.
Fugger trat hinzu, befühlte jedes Stück, musterte das Futter, die Verarbeitung mit kundigem Blick.
«Ausgezeichnete Ware, beste Verarbeitung», sagte er schließlich anerkennend. «Eure Leute verstehen ihr Handwerk.»
«Danke», erwiderte Sibylla. Vor Stolz schoß ihr das Blut in den Kopf und färbte ihre Wangen rosig.
Fugger wandte sich ab, ging zu einem großen Kontortisch und begann, ein Formular auszufüllen.
«Mir gefällt der Schnitt. Ich schreibe Euch eine Geldanweisung. Ihr könnt sie in Frankfurt einlösen. 200 Gulden. Dafür bestelle ich bei Euch eine Schaube von Hermelin. Sie ist für meine Gattin, die denselben Vornamen trägt wie Ihr. Sibylla. Doch nicht nur der Name erinnert mich an meine Gattin. Ihr ähnelt Euch auch in der Figur. Fertigt die Schaube also nach Euren Maßen an.»
Sibylla fehlten die Worte. Eine Schaube für die Fuggerin! Sie hatte es geschafft! Jakob Fugger hatte ihr einen Auftrag erteilt.
Ihre Stimme zitterte, als sie fragte: «Wann soll die Schaube fertig sein?»
Fugger überlegte einen Moment. «Nun, wir haben Juni. Im Spätsommer, vielleicht auch im Herbst werdet Ihr zurück in Frankfurt sein. Macht Euch nur gleich an die Arbeit, denn der Mantel soll ein Weihnachtsgeschenk für meine Frau sein. Ihr solltet bereits gegerbte Felle zur Herbstmesse ordern. Ich gebe Euch ein Empfehlungsschreiben mit, sodass Ihr sicher sein könnt, von den Lübecker Kaufleuten wirklich hervorragende Waren zu bekommen. Die Order dafür könnt Ihr noch heute von hier aus erteilen. Nachher zeige ich Euch das Kontor der Lübecker Hanse. Kürzlich erst ist ein Schiff aus dem Russischen mit feinstem Hermelin in Rostock eingelaufen, hörte ich. Die Lübecker werden veranlassen, dass ausreichend Felle zu Euch nach Frankfurt gebracht werden.»
Sibylla konnte nur nicken. Sie musste nach Isaaks Arm fassen, um sich zu vergewissern, dass dies kein Traum war.
«Ihr werdet zufrieden sein», versprach Sibylla.
Fugger sah sie an. «Ich bin sicher, dass Ihr mir beste Arbeit liefert. Doch einen Wunsch habe ich noch: Färbt mir das Fell blau ein, wie es hier in Florenz Mode ist.»
«Euer Wunsch ist mir Befehl», erwiderte Sibylla. «Ich habe ausreichend Erfahrungen mit Waid.»
«Mit Waid? Sagt nur, Ihr färbt noch mit Waid?», fragte Fugger erstaunt.
«Womit sonst?» Sibylla war verblüfft. Gab es denn etwas anderes, mit dem man Felle blau einfärben konnte?
Fugger ging zu einem großen Regal und entnahm diesem ein Säckchen von Leinen. Er schnürte es auf und schüttete ein wenig Pulver in seine Handfläche.
«Das ist Indigo», erklärte er. «Ein Farbstoff, der über die Meere zu uns gekommen ist. Seine Leuchtkraft übertrifft die des Waides um ein Vielfaches. Auch der Färbevorgang vereinfacht sich erheblich, denn eine Gärung, die den Pelz doch immer etwas angreift, ist
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