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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Frühjahrsbeginn nach Spanien aufbrechen.
    Die Heirat seiner Tochter Susanne sollte bis zu seiner Rückkehr aufgeschoben werden. Dann würde er erneut mit Sibylla über die Erbfolge verhandeln. Insgeheim hoffte Schieren, dass Sibyllas Kind tot zur Welt kommen würde oder dass Sibylla den Gebärstuhl nicht lebend verlassen würde. Er musste Geduld haben. Eines Tages würde seine große Gelegenheit kommen, es seiner Frau heimzuzahlen. Und vielleicht gelang es ihm sogar, mit den Spaniern so gute Geschäfte zu machen, dass er seine Frau übertrumpfte?

Kapitel 23
    Im März des Jahres 1475 brachte Sibylla ein Mädchen zur Welt. Das Kind wurde in Abwesenheit seines erklärten Vaters Wolfgang Schieren unter Zeugenschaft der Paten auf den Namen Eva getauft. Hatten sich die Frankfurter zunächst noch darüber verwundert, dass Sibylla gerade mal 7 Monate nach ihrer Rückkehr aus Italien ein Kind gebar, so verstummten sie, als sie sahen, dass der große Jakob Fugger persönlich das Kind über das Taufbecken hielt.
    Seine Gattin Sibylla, die ihren Mann zur Messe begleitete, trug während der Feierlichkeiten in der Liebfrauenkirche einen Mantel aus blau gefärbtem Hermelin, der eine kleine gelbe Sonne als Markenzeichen trug.
    Nie zuvor waren Kleidungsstücke mit der gelben Sonne so begehrt. Die Werkstätten platzten aus allen Nähten. Erneut musste Sibylla sich um gute Mitarbeiter kümmern, doch schon drei Jahre später gab es keinen freien Flecken mehr im Haus in der Krämergasse.
    In regelmäßigen Abständen hielten Wagen vor dem Haus, um bestellte Waren nach Nürnberg, Bamberg, ins Preußische und Sächsische, ja sogar bis ins Niedersächsische und Holsteinische zu liefern.
    Wolfgang Schieren, von dem man seit seiner Abreise im Herbst 1474 keine Nachricht erhalten hatte, war in seiner Abwesenheit zum Ratsherrn aufgestiegen. Sibyllas Ruhm hatte ihren absoluten Höhepunkt erreicht. Die Musterbücher mit ihren Entwürfen wurden in Gold aufgewogen, sie war führend in allen Sachen der Mode und Einrichtung. Überall im Lande versuchten andere Schneider und Kürschner, Sibyllas Stücke zu kopieren, doch nur, wer ein Teil mit einer kleinen eingestickten gelben Sonne sein Eigen nannte, durfte sich zu den wahrhaft Reichen mit einem hohen Sinn für Stil und Geschmack rechnen.
    In Florenz unterhielt Sibylla zwar inzwischen kein eigenes Kontor, doch ihre Waren wurden dort von Jakob Heller vertrieben.
    Sibylla war inzwischen zur Berühmheit aufgestiegen. Sie wurde mit Einladungen überschüttet. Doch sie verließ ihr Haus und die Werkstätten kaum noch. Obwohl sie erst 32 Jahre zählte, fühlte sie sich alt und müde.
    Sie besaß mehr Geld, als sie ausgeben konnte, war die erfolgreichste Frau der Stadt, doch gelacht hatte sie schon lange nicht mehr. Erste Falten hatten sich in ihre Stirn eingegraben, die Lippen waren schmaler geworden, der Busen drohte nicht mehr das Mieder zu sprengen.
    Es schien, als hätte sie, die Frau, die von allen beneidet wurde, keinen Funken Lebensfreude mehr in sich. Sie regierte ihre Werkstätten mit strenger Hand, die einzigen Zärtlichkeiten, die sie austeilte, galten den Stoffen und Pelzen. Nur wenn sie ihre Kinder, den siebenjährigen Christoph und die dreijährige Eva, in ihrer Nähe wusste, glätteten sich ihre Züge ein wenig.
    Die Angestellten, die im Hause wohnten, hörten sie oft des Nachts im Haus umherirren, doch niemand wusste, was ihr den Schlaf raubte. Es waren die Schatten, die wieder gekommen waren, seit sie Isaaks Liebe verloren hatte.
    Beinahe jede Nacht erschien ihr Sibylla Wöhler. Blass und im Totenkleid stand sie da, hielt ein Wachslicht in den Händen und schwieg. Doch manchmal sprach sie auch im Traum zu Sibylla. In diesen Nächten floh Sibylla dem Schlaf und irrte unstet durch das Haus, als sei sie auf der Flucht.
    «Nun, Sibylla?», fragte die Tote im Traum. «Du hast mir den Tod gestohlen, damit dein Glück im Leben versagt. Wer das Leben eines anderen lebt und auf das eigene verzichtet, ist nicht bestimmt, glücklich zu sein. Nie wirst du mich erreichen, mich nie bezwingen. Du bist ich geworden, wir sind Schwestern, Zwillinge. Untrennbar verbunden durch nur ein Leben. Ich bin du und du bist ich. Nur durch die Liebe oder durch den Tod kannst du mir entkommen.«
    Und Sibylla flüchtete aus ihrem Zimmer, stürzte sich in ihre Arbeit, setzte sich an den großen Entwurfstisch und ersann ein Kleidungsstück nach dem anderen. Kleider, die so waren, wie sie sich das Leben für sich

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