Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Vorteile durch den neuen, berühmten Kunden.
Dazu kamen die vielen kostbaren und seltenen Dinge, die Sibylla aus Florenz mitgebracht hatte. Das Nasentuch erfreute sich bald allergrößter Beliebtheit, und auch Schulte musste seine Werkstatt vergrößern, um aller Aufträge Herr zu werden.
Und Schieren drängte.
«Hast du es dir überlegt? Wirst du meine Kinder als Erben einsetzen?»
«Ja, ich habe darüber nachgedacht», erwiderte Sibylla, als sie eines Abends in ihrem Wohnzimmer beieinander saßen. Beinahe wie ein richtiges Ehepaar. Selten, äußerst selten hatten sie so gesessen. Aber sie waren ja auch keine Eheleute, liebten sich nicht, achteten sich nicht, begegneten sich mit großer Gleichgültigkeit, wenn nicht gar Hass und Verachtung. Sibylla hatte nicht vergessen, dass es Wolfgang Schieren gewesen war, der den Gerber Thomas beauftragt hatte, sie zu schänden. Nichts hatte sie vergessen.
«Und? Zu welchem Entschluss bist du gekommen?», fragte Schieren lauernd. «Ich warne dich, versuche nicht, mich zu übervorteilen.»
«Christoph wird die Kürschnerei übernehmen. Das Kind, welches kommen wird, erhält die Einrichterei. Johannes ist bei einem Kürschner in der Lehre. Ist er erst Geselle und wirbt um ein Weib, nun, so kann er in eine andere Stadt gehen und sich eine Werkstatt einrichten. Das Geld dafür erhält er als Erbe. Und Susanne wird an einen Handwerksmeister verheiratet und bekommt eine Aussteuer. Bring du mir einen Mann, der sie will, dann bringe ich die Aussteuer.»
«Es gibt einen Mann, der sie heiraten würde», erklärte Schieren. «Schon im nächsten Jahr kann sie mit ihm vor den Altar treten.»
«So?» Sibylla riss erstaunt die Augen auf. «Wer ist es?»
«Unser Junggeselle. Heinrich wird bald aufs Altenteil gehen. Der Junggeselle wird dann Altgeselle und kann die Werkstatt übernehmen, sobald ich mich zur Ruhe setze. Heiratet er Susanne, bekommt er meinen Meistertitel und Susanne die Kürschnerei.«
«Das hast du dir schön ausgedacht, Schieren. Doch so wird es nicht kommen. Ich denke nicht daran, eine meiner Werkstätten an deine Bälger zu vererben. Bring mir einen Handwerksmeister eines anderen Gewerkes, dann bezahle ich die Aussteuer. Die Kürschnerei aber bekommt Christoph.»
Schieren überlegte. Er wusste genau, dass Sibylla alles daransetzen würde, die Kürschnerei, solange es ging, in den eigenen Händen zu halten. Sie gehörte ihr. Mit allem, was darinnen war. Das Einzige, wofür sie ihn brauchte, war sein Meistertitel.
«Wenn du Susanne die Werkstatt nicht gibst, gut. Damit habe ich gerechnet. Dann erhält Christoph jedoch auch nicht meinen Titel.»
Sibylla zuckte nur mit den Achseln. «Ein Meistertitel ist käuflich. Du weißt es selbst, Schieren. Ein Sack Gulden in die Lade, eine eigene Werkstatt, und schon ist er ein Meister. Wir brauchen dich nicht, Schieren. Ich hoffe, du vergisst das nicht. Mein letztes Wort: Ich richte deinem Sohn eine Werkstatt ein und gebe Susanne eine Aussteuer im selben Wert. Zu mehr bin ich nicht bereit. Nicht jetzt und nicht später.»
Schieren nickte. «Gut», sagte er schließlich. «Das letzte Wort darüber ist noch nicht gesprochen. Gib mir nun Geld für meine Reise. Ich habe mit der Zunft gesprochen. Jakob Heller schickt eine Handelskolonne nach Spanien. Ich werde mich ihnen anschließen.»
Sibylla lachte leise. «Was willst du in Spanien?»
«Auch in Spanien ist es nicht das ganze Jahr über warm. Du weißt selbst, dass Pelze nicht nur zum Wärmen, sondern zum Zeigen getragen werden. Gib Heinrich Anweisung, mir eine Wagenladung zusammenzustellen, dann bist du mich los.»
Sibylla überlegte nicht lange. Im Lager waren noch einige Stücke, die sich in Frankfurt nicht mehr mit gutem Gewinn verkaufen ließen. Die Mode änderte sich zu schnell. Waren vor fünf Jahren noch schmale Kragen modern, so trugen die Damen und Herren nun nur noch Pelze mit breiten Kragen und gepolsterten Schultern. Auch Hauben und Umhänge aus Schafs- und Marderfell waren noch da.
«Gut, Schieren. Ich gebe dir statt des Geldes die Waren aus dem alten Lager. Verkauf sie und lebe von diesem Geld während deiner Reise.»
Noch eine Weile stritten die Ehegatten, doch schließlich waren sie sich einig. Schieren würde nach Spanien gehen. Noch bevor die ersten Oktoberstürme einsetzten, würde er Frankfurt verlassen und ein Schiff bestiegen haben, das ihn den Rhein hinauf bis ins Elsass brachte. Den Winter über würde er in Straßburg bleiben und mit
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