Die Pelzhändlerin (1. Teil)
erträumt hatte. Hell, leicht, farbenfroh und voller Sinnlichkeit. Kleider, die ihre Trägerinnen schöner machten, doch ihre Schöpferin von Tag zu Tag müder. Sibylla kämpfte gegen diese Müdigkeit, gegen diesen Überdruss, an manchen Tagen sogar gegen eine Todessehnsucht. Denn was nützten ihr all das Geld und all der Ruhm, was galten Erfolg und Macht, wenn man nicht geliebt wurde und nicht wiederlieben durfte?
Isabell Kopper hatte inzwischen zwei weitere Kinder geboren, von denen eins noch im ersten Monat starb. Maria hatte Schultes Sohn Volker geheiratet und war glücklich, zufrieden und von großer Dankbarkeit und Zuneigung Sibylla gegenüber.
Barbara war alt geworden, sodass Sibylla ihr weitere Mägde zur Seite gestellt hatte, deren Arbeit sie nur noch zu überwachen brauchte. Heinrich hatte endlich ein eigenes kleines Haus kaufen können und liebäugelte damit, eine Witwe zu ehelichen, die von heiterem Wesen und großer Gemütlichkeit war. Johannes hatte seine Lehre beendet und war als Geselle auf Wanderschaft gegangen. Susanne lebte noch immer im Haus des Gerbers Sachs, der inzwischen wieder einen guten Kundenstamm aufbauen konnte, und wartete auf die Rückkehr ihres Vaters, um endlich den jungen Kürschnergesellen heiraten zu können.
Es war noch gar nicht lange her, da hatte Susanne Sibylla einen Besuch abgestattet. Sibylla war erstaunt über den Wandel der jungen Frau. Ihre Eitelkeit war geblieben, doch die Liebe hatte sie verändert. Hübsch war sie geworden und freundlich im Wesen. Sachs war voll des Lobes über sie, und das Mädchen selbst schien alle Höhenflüge vergessen zu haben. Das Einzige, das sie begehrte, war, die Frau des jungen Gesellen zu werden und mit ihm Kinder zu haben. Nicht mehr Aussteuer und Ansehen waren das Wichtigeste für Susanne, allein um das Zusammensein mit dem geliebten Mann ging es ihr.
Aber selbst wenn Sibylla gewollt hätte, Susanne musste mit der Heirat warten, bis Schieren zurückgekehrt war. So war es vereinbart, und nur ein Ratsbeschluss konnte Schierens Anweisung aufheben. Doch für einen Ratsbeschluss musste das Wohl der Stadt auf dem Spiel stehen. Das war es jedoch nicht. Also blieb Susanne nur das Warten.
Die Zeit verging, und von Schieren kam keine Nachricht. Wieder war ein Jahr vergangen, und es wurde wieder Zeit, sich um ein neues Gebäude zu kümmern.
Am Römer war ein großes, mehrstöckiges Haus frei geworden. Sibylla plante, dieses Haus zu kaufen und darin sowohl die Schneiderei als auch die Kürschnerei zu vereinigen.
Einige Umbauarbeiten waren notwendig, doch bald war alles so, wie Sibylla es sich gewünscht hatte. Der Umzug konnte vonstatten gehen.
Das neue Domizil war prächtiger als die meisten anderen Frankfurter Handelshäuser. Nur den Nürnberger Hof von Jakob Heller übertraf das Schierenhaus nicht.
Das gesamte Erdgeschoss bestand aus Verkaufsräumen. In einem Raum wurden nur Pelze ausgestellt, im nächsten die Arbeiten aus der Gewandschneiderei, im dritten alles, was zur Einrichtung eines vornehmen Haushaltes gehörte, im vierten Putz, Zierrat, falsche Zöpfe, Nasentücher und ähnliche Kleinigkeiten mehr.
In den Hintergebäuden waren die Werkstätten untergebracht. Sibylla hatte sich nicht gescheut, auch die Gewandschneiderei aus dem Schulteschen Haus offiziell als ihre eigene in dem Gebäude unterzubringen.
Doch kaum war dies geschehen, so hagelte es Klagen von der Schneiderzunft. Auch die Weber und Seidensticker erhoben Klage gegen Sibylla, die ohne Meister und außerhalb der Zunft entsprechende Waren anbot.
Die Kürschnerzunft aber schwieg. Zu groß war Sibyllas Einfluss. Von ihr stammte ein Großteil des Geldes, mit dem das neue Zunfthaus gebaut wurde. Der Rat der Stadt schließlich wurde einberufen, um eine Entscheidung zu treffen. Durfte Sibylla außerhalb der Zunft eine Werkstatt gründen und damit gegen das allgemeine Zunftrecht verstoßen? Oder wurde sie zurückbeordert an den Platz, der ihr gebührte? Waren ihr Erfolg und ihr Einfluss auch groß, so ließ sich doch nicht vergessen, dass sie eine Frau war.
Die meisten Mitglieder des Rates waren zwar selbst Kunden bei Sibylla, doch so mancher von ihnen neidete ihr den Reichtum. Auch wenn das Unternehmen auf Schierens Namen lief, so wusste doch jeder, wem der Erfolg zu verdanken war: einer Frau, die sich anmaßte, zu leben und zu handeln wie ein Mann, und die zu vergessen haben schien, wo ihr eigentlicher Platz war. Nämlich in der Küche, in der Kirche oder aber im
Weitere Kostenlose Bücher