Die Pelzhändlerin (1. Teil)
ihren Haaren und zog sie daran vom Stuhl hoch.
«Raus hier. Raus aus diesem Haus», fluchte er. «Sonst schlage ich dich tot, und dein Bastard verreckt mit dir.»
Sibylla entwand sich seinem Griff.
«Gar nichts wirst du tun», zischte sie zurück. «Nichts, gar nichts. Alles hier gehört mir. Ich habe die Werkstätten zu dem gemacht, was sie sind. Ohne mich bist du nichts. Ein aufgeblasenes, eitles Nichts, das schon bald alles ruiniert haben wird. Du brauchst mich, Schieren. Ich bin lebensnotwendig für dich. Also lass mich los, sonst schreie ich die ganze Gasse zusammen.»
«Dann schrei doch, du Hure. Schrei, so laut, du kannst. Soll ruhig jeder hören, dass du mit einem Bastard aus Italien zurückgekehrt bist.»
«Ich warne dich, Schieren. Ein Wort, und die ganze Stadt erfährt von deinem Bastard. Christoph ist durch eine Vergewaltigung entstanden, Schieren. Ich habe ihn als meinen Sohn anerkannt. Und dasselbe wirst du mit meinem Kind tun. Hast du verstanden? Du hast keine andere Wahl. Also halt dein verdammtes Maul und gehe mir aus dem Weg. Ich habe keine Zeit, deinem dummen Geschwätz zu lauschen. Arbeiten muss ich, damit du auch morgen noch Geld hast, das du in die Schankstuben, Würfelbuden und Badehäuser tragen kannst.»
Schieren fuhr zurück. Noch immer kochte die Wut in ihm, wurde gar noch größer, als er begriff, dass er wirklich keinerlei Handhabe gegen Sibylla hatte. Ihr gehörte alles, und selbst wenn sie wegen Ehebruchs davongejagt würde, hülfe ihm das nichts. Sie war es, die die Werkstatt groß gemacht hatte. Ohne sie konnte er den ganzen Laden dichtmachen. Schieren wusste das. Oh, und wie er das wusste! Kein Tag verging, an dem er nicht auf irgendeine Art und Weise daran erinnert wurde, dass er voll und ganz von Sibylla abhängig war. Er verfluchte den Tag, an dem er sie geheiratet hatte, doch es half nichts.
«Dann entschädige mich für die Hörner, die du mir aufgesetzt hast», verlangte er jetzt und sah sie fordernd an.
«Dich entschädigen? Ha, dass ich nicht lache! Du selbst hast mir einen Hurenbalg ins Nest gesetzt. Hast du mich dafür entschädigt?»
«Geld will ich. Viel Geld. Und dann gehe ich wieder auf Reisen. Es ist kein Auskommen mit dir. Weg will ich. So schnell wie möglich. Oder dachtest du etwa, ich würde mit dem Bastard unter einem Dach leben wollen?»
Sibylla dachte einen Augenblick nach. «Gut», sagte sie schließlich. «Ich bin einverstanden. Geh auf Reisen, geh, wohin du willst. Das Geld gebe ich dir. Reichlich sogar.»
«Und ich will, dass Susanne ebenfalls erbberechtigt ist. Setz Susanne und Johannes den beiden Bastarden gleich, dann werde ich schweigen.»
«Lass mir ein paar Tage Zeit», erwiderte sie kühl. «Ich werde dir meine Entscheidung mitteilen. Aber verlange nicht zu viel für deine Brut. Am Ende bekommst du gar nichts. Meine Großzügigkeit ist nicht an eine Schuld, die ich dir gegenüber empfinde, gekoppelt.»
Damit ließ sie ihn stehen und begab sich in die Meisterstube. Stundenlang blätterte sie in den Kontorbüchern. Die Geschäfte hatten unter ihrer Abwesenheit nicht gelitten. Im Gegenteil. Zwei Wochen waren vergangen, seit sie wieder die Zügel im Haus in der Krämergasse in der Hand hatte. Heinrich hatte hervorragende Arbeit geleistet, und auch die anderen Gesellen waren fleißig gewesen. Die Gewandschneiderei unter Meister Schultes Aufsicht lief ebenfalls hervorragend. Maria war glücklich dort, zeigte sich geschickt und anstellig, wo immer man sie brauchte. Barbara hatte sogar leise berichtet, dass sich wohl zwischen ihr und dem Meisterssohn Volker etwas entspann, das noch mehr zum Glück im Schultehaus beitrug. Wie lange noch wird es dauern, bis ich ihre Hochzeit ausrichten kann?, dachte Sibylla. Sie freute sich von Herzen, dass Maria endlich glücklich war, doch gleichzeitig schmerzte sie das Glück der anderen.
Sie hatte ihren Schwur eingehalten und Isaak Kopper nicht wiedergesehen. Sibylla lauschte den Schlägen der Turmuhr, die den Feierabend verkündeten, und seufzte tief. Jetzt, in diesem Augenblick, wusste Sibylla, würde Isaak am Mainufer auf sie warten. Vergeblich auf sie warten, wie an jedem Abend seit ihrer Rückkehr. Das Wissen schmerzte. Zu gern wäre sie jetzt bei ihm, würde am liebsten die Gassen hinunterrennen, sich in seine Arme stürzen, ihn umschlingen und niemals wieder loslassen.
Es klopfte an der Haustür. Sibylla ging hinunter und nahm das Schreiben entgegen, welches ein Bote ihr brachte. Sie nahm es mit in
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