Die Pelzhändlerin (1. Teil)
lieb Kind zu machen. Gleichzeitig spürte sie die abschätzenden Blicke der Meisterssöhne, die über ihr Gesicht und ihren Körper glitten und sie musterten, als wäre sie eine Partie Fell.
Nur der Junggeselle, der am untersten Rand der Tafel saß, schwieg und hielt seinen Becher mit beiden Händen umklammert. Er wirkte traurig. Einmal aber hob er den Becher, sah in die Runde und sagte: «Gott sei der Seele des Wöhlermeisters gnädig. Er war ein guter Meister.»
Die anderen nickten, hoben ebenfalls ihre Becher.
Der Zunftmeister räusperte sich. «In einer Woche wird die Zunft vermelden, wie es mit der Wöhler-Kürschnerei weitergeht», sagte er entschieden und gab damit das Zeichen, das Thema zu wechseln.
Am Abend saß Sibylla wieder in der Meisterstube hinter dem abgewetzten Kontortisch und hatte die Bücher vor sich. Die vielen Zahlen und die unbekannten Begriffe verwirrten sie.
Wie soll ich wissen, was für das Geschäft das Beste ist, wenn ich doch nicht genau weiß, was in den Büchern steht?, überlegte sie und erinnerte sich dabei an die Gespräche in der Zunftstube. Und genau wie am Nachmittag hatte sie auch jetzt das Gefühl, dass der Zunftmeister so entscheiden würde, wie es für ihn am besten wäre, nicht aber für das Wöhlerhaus und schon gar nicht für sie.
Welche Rechte habe ich?, fragte sie sich. Worüber darf ich entscheiden? Und wie finde ich heraus, was richtig ist?
Sibylla starrte vor sich hin, dachte an die wunderbaren Dinge hier im Haus und an ihren Schwur in der Liebfrauenkirche. An meinen Taten sollt ihr mich erkennen.
Ich werde die Werkstatt weiterführen, beschloss sie und nahm die Glockenschläge des nahen Kirchturms, die Mitternacht verkündeten, als Zeichen der Bekräftigung. Ich werde die Werkstatt weiterführen, werde beweisen, dass eine Frau das kann. Alles, was ich dazu wissen muss, werde ich lernen. Ich werde lernen, wie man die Auftragsbücher liest und führt und mich kundig machen über das Kürschnern. Und weil ich einen Mann dazu brauche, werde ich mir einen suchen, der mich dabei unterstützt. Der in mir mehr sieht als nur die Gefährtin fürs Bett und Versorgerin der Kinder.
Gleich am nächsten Morgen, das Tagewerk hatte gerade begonnen, erschien der Zunftmeister.
«Ich komme mit einem Angebot, einem sehr guten Angebot sogar», sagte er, und Sibylla bat ihn in die Meisterstube.
«Was für ein Angebot?», fragte sie.
«Nun», der Zunftmeister rutschte behaglich auf dem dick gepolsterten Meisterlehnstuhl hin und her, als würde er bereits ihm gehören. Sibylla musste vom Schemel aus zu ihm aufschauen und fühlte sich noch unbedeutender und jünger, als sie war. «Ich biete dir 100 Gulden für die Werkstatt. 100 Gulden!! Viel Geld für ein Mädchen wie dich. Geld, mit dem du dich gut verheiraten kannst. Mehr, als Haus und Werkstatt wert sind.»
Sibylla schwieg und sah den Zunftmeister an. 100 Gulden waren ein Vermögen! Unvorstellbar für eine Wäscherin, deren ganzes Leben nicht ausreichte, um eine solche Summe zu verdienen. Ein Schwein auf dem Markt kostete vier Gulden.
Doch warum machte der Pate so viele Worte, wenn das Angebot tatsächlich so gut war?
«100 Gulden sind zu wenig. Das Haus ist mehr wert. Bedenkt die gute Lage», erwiderte sie auf gut Glück und dachte dabei an die gestrigen Gespräche.
Ebel sah überrascht hoch.
«Wer hat dir das erzählt? Wer sagt, dass dein Besitz mehr wert ist?»
«Ich habe selbst Augen und Ohren.»
«Nun», überlegte der Zunftmeister laut. «Vielleicht könnte man noch ein paar Gulden zugeben. Doch rechne nicht mit zu viel.»
Sibylla winkte ab. «Macht Euch keine Mühe, Pate. Ich verkaufe nicht.»
Der Zunftmeister sah sie drohend an. «Was redest du da? Verkaufen ist das Beste, was du machen kannst. Glaube mir! Ich kenne mich aus, kenne die Werkstatt wie meine eigene. Ein maroder Laden ist das, der sich nicht mehr lange halten lässt. Ich will doch nur dein Bestes, Kind.»
«Wenn der Laden so marode ist, wie Ihr sagt, warum wollt Ihr ihn dann kaufen?»
Der Zunftmeister sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, und Sibylla bekam Angst. Sie hatte keine Ahnung, wie es um das Geschäft stand. Sie ahnte nur, dass der Zunftmeister kein ehrliches Spiel mit ihr trieb, auch wenn er ihr Pate war.
«Widerspenstig bist du, Sibylla. Widerspenstig, großspurig und dumm wie jedes Weib, dass keinen Mann zur Seite hat. Ich wollte dir helfen, denn das habe ich damals vor dem Taufbecken versprochen.»
Sibylla hatte das
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