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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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eigentlichen Begräbnis. Schweigend lief sie hinter dem Sarg her, warf eine Hand voll Erde in das offene Grab und ließ sich vom Zunftmeister danach zum Leichenmahl in das Zunfthaus führen.
    Alle zweiundzwanzig eingetragenen Meister der Kürschnerzunft und vier Meisterssöhne, dazu die Wöhler’schen Gesellen, ein Abgesandter der Kürschnergesellenbruderschaft und der Priester hatten sich um den riesigen Holztisch versammelt.
    Sibylla nahm den Ehrenplatz, rechts neben dem Zunftmeister Ebel, ein und lauschte den Gesprächen ringsum.
    Nachdenklich betrachtete sie die Männer und hoffte, dass niemand sie ansprach und nach ihrer Zeit im Kloster fragte. Zu unsicher fühlte sie sich. Sie war noch nie mit so vielen fremden Männern zusammen gewesen, hatte noch nie eine Zunftstube von innen gesehen, noch niemanden beerdigen müssen. Was sollte sie sagen? Wie sich verhalten? Sie wusste es nicht und hätte am liebsten die Zunftstube verlassen und sich ins Wöhlerhaus geflüchtet.
    Ebel sprach sie an, und augenblicklich verstummten alle anderen Gespräche am Tisch.
    «Was hast du vor, Sibylla? Was soll aus der Kürschnerei werden?»
    Sibylla zuckte hilflos mit den Achseln. Die energische, feste Stimme des Mannes und der herablassende Blick, mit dem er sie musterte, schüchterten sie ein. Doch zugleich erwachte das Misstrauen in ihr. Ebel hatte bestimmt nur seine eigenen Interessen im Kopf.
    «Ich weiß es nicht», erwiderte Sibylla und zeigte eine undurchdringliche Miene. Sie wusste, dass die Männer bereits vor Stunden in der Küche des Wöhlerhauses über ihre Zukunft gesprochen hatten.
    Der Zunftmeister tätschelte ihren Arm, sein Blick wurde freundlicher. «Natürlich weißt du es nicht. Wie auch, du bist eine Frau. Es wird sich alles richten. Vertrau auf uns. Geschäfte sind Männersache», sagte er. «Ich werde die Abwicklung übernehmen, bin schließlich dein Pate.»
    Sein Ton war so bestimmend, dass Sibylla ihm nicht widersprechen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte.
    Der Altgeselle meldete sich zu Wort: «Es darf nicht lange gezögert werden, die Auftragsbücher sind voll, und der Winter steht vor der Tür. Wird die Kürschnerei nicht verkauft, muss Sibylla heiraten.»
    «Am besten dich, was?», fragte einer am anderen Ende des Tisches, und die Übrigen lachten.
    «Warum nicht? Ich kenne die Kundschaft, weiß um ihre Wünsche und verstehe auch das Handwerk», begehrte Heinrich auf.
    «Sie muss verkaufen. Das ist das Beste für die Zunft. Wöhlers Kundschaft ist nicht die richtige für die Trierische Gasse: verarmte Ritter, brave Bürger, kleine Handwerker anderer Zünfte, Bauern aus dem Umland sogar. Frankfurt entwickelt sich zum Dreh- und Angelpunkt für Rauchwaren, und die Trierische und Schnurrgasse spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Händler und Gäste, die zu den Messen kommen, sind verwöhnt. Sie wollen edles Pelzwerk, nach der neuesten Mode gemacht.»
    Der Mann, der das gesagt hatte, saß ganz oben am Tisch, auf der anderen Seite des Zunftmeisters. Seine Kleidung zeigte, dass er wohlhabend, vielleicht ein Patrizier war.
    Meister Ebel schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. «Die Zunft bestimmt, was geschieht. Wir haben vier Meisterssöhne ohne eigene Werkstatt. Einer von ihnen wird den Wöhler-Laden übernehmen. Ob als Ehemann oder als Käufer, wird sich weisen.»
    Der Zunftmeister blickte nacheinander jeden einzelnen Gast an, ehe er weitersprach: «Eines aber steht fest: Neben Lämmer-, Ziegen-, Reh- und Hasenfellen wird es demnächst auch Zobel und Hermelin im Wöhlerhause geben müssen.»
    Am Tisch setzte Gemurmel ein. Sibylla fing einige Satzfetzen davon auf. «Zobel und Hermelin», hörte sie. «Die teuersten Felle, die es gibt. Wollen der Zunftmeister und sein Beisteher uns, die wir das Geld für solche Felle nicht haben, aus der Altstadt vertreiben?»
    «Spekulationen waren Wöhlers Sache nicht. Er war ein guter Handwerker, der sein Brot auf ehrliche Weise verdient hat», sagte ein anderer.
    «Haben wir nicht schon genug Gecken in Frankfurt? Wer macht die Umhänge für die einfachen Leute?», sagte wieder der Erste.
    «Geld verdient man am leichtesten mit Zobel und Hermelin», kam es zurück.
    Jeder wusste, dass der Zunftmeister selbst zwei Söhne hatte, von denen nur einer die Werkstatt seines Vaters übernehmen konnte, und auch Sibylla hatte davon gehört.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete sie aufmerksam die Männer. Sie sah den Altgesellen nicken, seine Versuche, sich beim Zunftmeister

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