Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Gefühl, zu weit gegangen zu sein. Sie wollte den Zunftmeister nicht verärgern, denn jeder Städter wusste um seine Macht. Es wäre unklug, ihn sich zum Feind zu machen.
«Ich möchte das Andenken meines Vaters bewahren», sagte sie schließlich.
Die Miene des Zunftmeisters entspannte sich. Sibylla atmete auf. «Dann musst du heiraten.» Sibylla bemerkte, dass er sie unziemlich musterte. Sie fühlte sich nackt. Widerwillig nickte sie. «Ich weiß.»
Ebel stand auf und ging um den Kontortisch auf Sibylla zu. Er tätschelte ihre Schulter, und Sibylla spürte, wie die fremde Männerhand ihr Fleisch befühlte, sich langsam zu den Brüsten vortasten wollte.
Sie stand auf, schüttelte dabei Ebels Hand ab. Der Zunftmeister lachte keckernd. «Die Klosterluft steckt noch in dir, was?»
Er machte eine kleine Pause, bevor er versöhnlich sagte: «Ich helfe dir, einen passenden Ehemann zu finden. Gleich nachher schicke ich dir meinen Sohn. Er ist ein braver Mann, der dir gefallen wird. Du gehörst doch zur Familie.»
Er hielt inne, betrachtete noch einmal schamlos Sibyllas Körper und nickte schließlich.
Sibylla schwieg. Sie hatte den Sohn im Zunfthaus gesehen, einen hochnäsigen, dummen Burschen, der mehr trank, als er vertrug, und Händel suchte.
«Gebt mir ein paar Tage Zeit», erbat sie. «Bis zum Sonntag nur, damit ich nachdenken kann.»
«Nachdenken?», fragte der Zunftmeister. «Nachdenken ist nicht Sache der Weiber. Kauf dir lieber ein paar neue Kleider, ein bisschen Tand dazu.»
Er wartete auf Sibyllas Reaktion, doch sie schwieg und sah ihn mit unbewegtem Gesicht an.
«Gut», stimmte Ebel schließlich zu. «Ich gebe dir drei Tage Zeit. Dann weißt du, ob du verkaufen oder meinen Sohn zum Manne nehmen willst.»
Beim Mittagessen, das wochentags in der großen Küche eingenommen wurde, fragte der Altgeselle, was der Zunftmeister gewollt hatte.
«Ein Angebot, zu verkaufen, hat er unterbreitet», gab Sibylla zu.
«Und? Wie habt Ihr Euch entschieden?»
«Bedenkzeit habe ich erbeten», erwiderte Sibylla.
«Wenn Ihr nicht wollt, so müsst Ihr nicht verkaufen. Meister Wöhler hätte gewollt, dass die Werkstatt in der Familie bleibt.» Heinrich räusperte sich, dann stieß er den Junggesellen, der schweigend seine Suppe gegessen hatte, an und sagte zu Sibylla: «Wegen uns muss sich hier nichts ändern. Wir haben immer friedlich zusammengelebt und einander geholfen, wenn es Not tat. Wenn Ihr Euch nach einem Mann umseht, vergesst das Naheliegende nicht dabei.»
Sibylla sah den Altgesellen an, der nun bereits zum dritten Mal erkennen ließ, welche Rolle er in Zukunft im Wöhlerhaus zu spielen wünschte.
«Ich werde daran denken», erwiderte sie knapp.
In den nächsten beiden Tagen wurden alle vier Meisterssöhne der Kürschnerzunft bei Sibylla vorstellig, außerdem zwei Gesellen und ein Meister, dessen Frau vor kurzem verstorben und ihn mit drei kleinen Kindern allein gelassen hatte. Der Sohn des Zunftmeisters verkündete, kaum dass er das Haus betreten hatte, bereits, wie er die Werkstatt umbauen, das Warenangebot erweitern, einen Lehrjungen einstellen und alsbald einen Platz im Rat der Stadt einnehmen wolle.
«Gute Gesellen gibt es zur Genüge. Der Alte muss weg, der Junge kann zunächst bleiben. Man sagt, er habe ein goldenes Händchen für wertvolle Pelze. Ich werde zwei weitere Gesellen mitbringen.»
Er sah Sibylla beifallheischend an, doch sie schwieg.
«Wir werden uns schon einig», sagte er zu Sibylla, fuhr mit seinen Blicken über ihren Körper, von dem sein Vater ihm vertraulich vorgeschwärmt hatte, und leckte sich dann über die Lippen. «Wenn du tust, was ich dir sage, wirst du es gut bei mir haben», versicherte er.
Der Witwer lamentierte über die Last mit seinen Kindern und flehte Sibylla beinahe an, sich seiner und ihrer anzunehmen.
Sibylla hörte jedem von ihnen zu, doch sie machte keine Zusagen, sondern zog ihrerseits Erkundigungen ein. Oft war sie in der Küche bei Barbara und fragte sie unauffällig nach den betreffenden Männern aus. Und Barbara erzählte, was sie wusste, und horchte die anderen Mägde aus den Kürschnerwerkstätten auf dem Markt aus.
Die Gesellen beobachteten mit Sorge, was im Haus vor sich ging. Am Donnerstag, als sich zur Mittagsstunde die Gesellen, die Magd und Martha, die zum Waschen da war, um den großen Esstisch in der Küche versammelt hatten, hielt es der Altgeselle nicht länger aus.
«Was wird aus der Werkstatt?», fragte er. «Was wird aus
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