Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Kundschaft mangelt es uns nicht», knurrte Jochen. Sibylla griff über den Tisch und legte ihre Hand auf seinen Arm.
«Ich weiß, Jochen. Doch es kann uns nicht ausreichen, seit Jahren immer wieder dasselbe zu fertigen. Immer wieder nur Umhänge und Kappen aus billigem Pelz. Träumst du nie davon, einmal eine wertvolle Schaube oder eine Decke zu fertigen, von der die ganze Stadt spricht? Möchtest du nicht, dass deine Handwerkskunst, dein Geschick in aller Munde ist?», fragte sie.
«Ich glaube nicht, dass wir durch einen Messestand in der Krämergasse zum Kürschnerpatriziat aufsteigen», antwortete Jochen verdrossen. «Warum reicht dir nicht, was wir haben? Uns geht es gut, wir haben alles, was wir brauchen. Die Vorratskammern sind gefüllt, deine Kleider sind zwar nicht von Mailänder Samt, aber doch aus gutem englischem Tuch.»
Sibylla nahm ihre Hand von seinem Arm und blickte aus dem Fenster.
«Es geht mir nicht ums Geld», sagte sie.
«Was treibt dich dann? Und überhaupt: Du bist schwanger. Wer soll den Stand betreuen? Die Gesellen brauche ich in der Werkstatt.»
«Versteh doch, Jochen: Du bist der beste Handwerker in der ganzen Zunft. Sogar Ebel musste es zugeben, als er dir die Meisterwürde verliehen hat. Ein Leichtes wäre es für dich, an der Zunfttafel nach oben zu rücken, neue Kunden zu finden und unseren Namen in aller Munde zu bringen. Nicht nur in Frankfurt. Die Messe ist die beste Gelegenheit, zu zeigen, was wir können.»
«Wir sind nicht in Mailand oder Burgund, Sibylla. Unsere Käufer wollen zweckmäßige Umhänge ohne Schnickschnack.»
«Warum kaufen die Leute dann lieber bei uns Umhänge mit Flechtwerk an den Rändern?», fragte Sibylla.
«Eine Mode, nichts weiter. Sie sind verblendet, und die Kleiderordnung tut ein Übriges, die Gier nach solchen Dingen anzustacheln. Gäbe es keine Kleiderordnung, die Beiwerk begrenzt und verbietet, wollte auch kein Mensch die verbotenen Dinge haben. Das Verbotene lockt, das ist es. Denk an Adam und Eva im Paradies.»
Sie antwortete nicht, sondern stand auf und ging hinaus. Wie oft hatten sie Gespräche dieser Art bereits geführt?
Sie wusste es nicht, wollte es auch gar nicht wissen. Jochen war ein biederer Handwerker, dem es an Schöpfertum und Ehrgeiz mangelte. So war es, und Sibylla wusste, dass sie nichts daran ändern konnte. Jochen würde bleiben, was und wie er war, und wenn sie damit nicht zufrieden sein konnte, dann musste sie sich ändern. So einfach war das. So schwer war das.
Sie nahm ihren Umhang, verließ das Haus und ging hinunter zur Krämergasse. Ich werde einen Stand mieten, egal, was Jochen sagt. Er kann das Geschäft nicht rückgängig machen, ohne zu zeigen, dass er seine Frau nicht im Griff hat, dachte sie. Er wird sich nicht noch einmal lächerlich machen wollen und zustimmen müssen.
Sie musste lange suchen und in beinahe jedem Haus fragen, ehe sie noch einen kleinen Platz für einen winzigen Stand ohne Regendach bekam. Beinahe jeder freie Fleck war an die Messfremden vermietet, die ihre Waren in schweren, mit Pech verschmierten Fässern durch die Gassen rollten.
Doch schließlich fand sie, was sie suchte.
«Ich bin die Kürschnermeisterin Theiler aus der Trierischen Gasse», erklärte sie. «Mein Mann schickt mich, um einen Stand anzumieten.»
«Ein Fleckchen habe ich noch», erklärte ihr der Hausbesitzer, ein dicker, feister Mann mit bekleckertem Wams. «Einen Gulden pro Messtag nehme ich dafür und von jedem verkauften Stück den zehnten Teil.»
Das war Wucher, Sibylla wusste es. Jochen würde ihr Vorhaltungen machen, doch sie zögerte nicht, sondern fingerte nach ihrer Börse, die sie am Gürtel trug, holte das Geld heraus und drückte es dem Mann in die Hand.
«Ich zahle gleich», sagte sie. «12 Gulden für 14 Messetage. Und für die Ware möchte ich einen Unterstellplatz für die Nacht in Euerm Keller.»
Der Dicke blickte begehrlich auf die Münzen in seiner Hand.
«Abgemacht», sagte er, biss auf ein Geldstück und reichte Sibylla zum Verkaufsabschluss die Hand.
Als sie Jochen davon erzählte, wurde er ganz still und sah sie mit enttäuschtem Blick an. Sie versuchte, es ihm zu erklären, doch er wischte alles mit einer Handbewegung beiseite und verließ den Wohnraum.
Doch nun war Messe, und sie stand jeden Tag vom frühen Morgen bis zum Abendläuten in der Krämergasse, den schwangeren Leib unter einem lose fallenden Umhang verborgen.
Vor ihr auf dem Tisch lagen ein paar schlichte Stücke für
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