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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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reichte ihn Barbara.
    «Da, nimm diesen einstweilen, aber pass auf, dass nichts dran kommt», sagte er. Seine Gedanken waren woanders, denn er hatte am Mittag in der Zunftstube spannende Neuigkeiten erfahren. Als sich alle wieder gesetzt hatten, erzählte er der Runde davon.
    «Der Rat denkt über den Erlass einer Kleiderordnung nach», berichtete er. «Samt, Atlas, Gesticktes, Perlen und Pelze aus Zobel, Marder und Hermelin sollen bei 10 Gulden Strafe den Bürgern verboten werden. Auch Schleifen und Bänder dürfen zukünftig nicht länger als 14 Ellen sein.»
    «Warum das?», fragte der Altgeselle.
    Theiler lächelte: «Unter den Frankfurtern ist ein modischer Wettbewerb ausgebrochen. Die Italiener und Burgunder führen auf den Messen immer die neuesten Modelle vor. Die Frankfurter wollen natürlich nicht weniger vornehm sein als die Ausländer. So mancher hat sich verschuldet, hört man, für eine Schaube aus Hermelin oder ein Kleid von Mailänder Samt.»
    Sibylla dachte über die Worte ihres Ehemannes nach. Dann, die anderen waren längst bei einem neuen Thema, sagte sie: «Die Kleiderordnung ist eine gute Gelegenheit für uns. Die teuren Stoffe und Pelze werden verboten. Die Sehnsucht nach Schönheit und Vornehmheit aber lässt sich nicht verbieten. Wenn wir mit unseren Waren diese Sehnsucht stillen, können wir ein gutes Geschäft machen.»
    «Und wie soll das gehen?», brummelte der Altgeselle misstrauisch. «Sollen wir vielleicht Schleifen an unsere Schaffelle nähen?»
    Er lachte keckernd.
    «Warum eigentlich nicht?», fragte Sibylla nach.
    «Warum, warum!», erregte sich Heinrich. «Weil an ein Schaffell keine Schleifen gehören, darum!»
    Sibylla sah, dass Heinrich sich ärgerte. Ärger konnte sie nicht gebrauchen, im Gegenteil. Sie brauchte sein Wohlwollen.
    «Ihr habt Recht, das wäre albern», sagte sie, legte kurz ihre weiße Hand auf die knochige des Altgesellen und lächelte ihn an.
    «Verzeiht einem törichten Frauenzimmer, das immer nur an Putz denkt und das Zweckmäßige nicht sehen will.»
    Sibylla hasste sich für diesen Satz, der genau das Gegenteil von dem, was sie wirklich dachte, ausdrückte. Doch sie hatte inzwischen gelernt, dass man Mäuse mit Speck fängt, und sah zufrieden, wie sich Heinrichs Gesicht entspannte und er ihr versöhnlich zunickte.
    Jochen Theiler hatte sich mit keiner Silbe in das Gespräch gemischt, doch ihm entging nichts, und das feine Lächeln um seinen Mund zeigte, dass er Sibyllas heimliche Gedanken zwar nicht lesen, aber doch ahnen konnte.
    In der Nacht, als alle schliefen, stand Sibylla heimlich auf, holte den geflochtenen, dreifarbigen Zopf aus der Wäschekammer und schlich sich hinunter in die Werkstatt.
    Im Schein eines Talglichtes betrachtete sie Barbaras Schaffell, aus dem sie den Brei herausgebürstet hatte, und legte es auf den großen Zuschneidetisch.
    Sollte sie wirklich die Ränder ganz kurz schneiden und ihren Zopf dort anbringen? Was, wenn sie das Fell verdarb? Jochen würde sie niemals wieder auch nur einen Schritt in die Werkstatt setzen lassen, Heinrich würde ihn dabei unterstützen, und Barbara wäre zu Recht ärgerlich. Aber sie musste es tun, musste den anderen zeigen, dass Schönheit wichtig war und nützlich für das Geschäft.
    Beherzt, aber sorgsam begann sie mit der Arbeit. Sie war so in ihr Tun vertieft, dass sie nicht hörte, wie sich die Werkstatttür öffnete und jemand hereinkam.
    Jochen beobachtete Sibylla einige Minuten lang. Dann räusperte er sich und sagte leise: «Du solltest den Zopf so annähen, dass er ein winziges Stück über die Ränder hinausgeht. Nur einen Fingernagel breit.»
    Sibylla schrak zusammen und wandte sich um. «Woher weißt du, dass ich hier bin?», fragte sie.
    «Du hast die Grütze mit Absicht vom Tisch gestoßen. Eine Frau wie du weiß genau, was sie tut. Seit dem Tag, an dem du den Zobel gesehen hast, warte ich darauf, dass etwas geschieht.»
    Sibylla lächelte. «Aber ich wusste nicht, dass es so schwer ist, einen geflochtenen Zopf an einen Umhang zu bringen», gab sie zu.
    «Du bist auch keine Kürschnerin. Noch nicht», erwiderte er und nahm ihr den Zopf aus der Hand.
    Die halbe Nacht arbeiteten sie. Sie sprachen wenig dabei, doch die Blicke, die sie miteinander tauschten, waren voller Zuneigung.
    Erst als das Stück nicht nur fertig, sondern genau so geworden war, wie Sibylla es sich vorgestellt hatte, gingen sie zu Bett.
    In dieser Nacht berührte Jochen zum ersten Mal ihre Haut, ohne dass sie vom

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