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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Retter ein Mann von großem Einfluss sein musste. Wie durch einen Nebel sah sie in sein Gesicht, in grüne Augen, die wie das Wasser des Mains an hellen Sommerabenden glitzerten, und spürte, wie ihr warm wurde. Das Lächeln des Mannes versprach Schutz und Geborgenheit.
    «Wieso Ratten?», rief der Mann und schaute die Zunftmeisterin spöttisch an. «Seid Ihr nicht in der Lage, Hasen, Katzen, Hunde und Bären von Ratten zu unterscheiden, Bürgersfrau? Euer Ehemann ist zu bedauern, da er sich bei Euch nicht sicher sein kann, ob der Hasenbraten, den Ihr serviert, nicht vielleicht von einer Ratte stammt, wenn Ihr doch die Unterschiede nicht genau kennt.»
    Nun grölte die Menge auf Kosten der Zunftmeisterin. Der Ärger färbte ihre Wangen hochrot. Doch sie wagte keinen Widerspruch, sondern beschränkte sich auf ein wütendes Blitzen der Augen. Der Mann hingegen kümmerte sich nicht um die Zunftmeisterin.
    Er betrachtete die kleinen Pelztierchen, nahm eines nach dem anderen in die Hand und strich zart über das Pelzkleid.
    «Mir gefallen Eure Pelztiere, Kürschnerin», sagte er und lächelte Sibylla erneut an.
    Sibylla wollte etwas sagen, doch in ihren Ohren rauschte es so laut, dass sie ihn nicht hörte. Die lähmende Angst vor der hämischen Menge aber war verflogen, seit der Fremde da war. Vorsichtig lächelte sie ihn an, obwohl sie spürte, wie sie immer schwächer wurde.
    «Ich kaufe zwei von den Bären für meine Patenkinder», verkündete er laut, sodass alle ihn gut hören konnten, ohne Sibylla aus den Augen zu lassen, die gespenstisch blass an der Hauswand lehnte. Er fragte nicht nach dem Preis, reichte ihr so viele Gulden, dass es für einen Umhang gelangt hätte.
    Sibylla sah noch, dass seine grünen Augen sie aufmerksam musterten, dann verlor sie das Bewusstsein und wäre wohl gefallen, hatte der Fremde sie nicht aufgefangen.
     
    Als sie aufwachte, saß Jochen an ihrem Bett. Er hatte das Gesicht in die Hände gestützt und brütete dumpf vor sich hin. Sie hüstelte, um zu zeigen, dass sie wach war. Jochen sah auf, und Sibylla erschrak über den Ausdruck seines Gesichtes.
    «Es ist deine Schuld!», sagte Jochen leise, aber bestimmt.
    Zwei Tränen rannen aus seinen Augen, die er verstohlen abwischte. «Es ist deine Schuld, und wahrscheinlich ist es dir auch noch recht so. Wenn du nicht so eigensinnig gewesen wärst, wäre es nicht passiert.»
    Sibylla lag im Bett, die Arme auf den Leib gepresst. Sie hatte Fieber, sie fror, und ihre Hände waren eiskalt. Ihr Schoß schmerzte, und in den Brüsten hatte ein qualvolles Ziehen eingesetzt. Sie musste sich anstrengen, um sich zu erinnern. Sie hatte in der Krämergasse gestanden, die Zunftmeisterin war gekommen und hatte einen Streit angefangen. Die Menge hatte ihr den Tisch in den Leib gerammt, dann war ein Mann gekommen, und sie war ohnmächtig geworden.
    «Was ist passiert, Jochen?», fragte sie, und eine dunkle Ahnung überfiel sie.
    «Du hast ein totes Kind zu Welt gebracht. Einen toten Jungen.»
    Sibylla stöhnte auf und ließ sich in die Kissen fallen. Tränen strömten über ihr Gesicht.
    Sie tastete nach ihrem Mann, doch vergeblich. Jochen war aufgestanden und schaute auf sie herunter. Unendlich weit weg erschien er ihr, so fern, dass es unmöglich war, ihn zu erreichen. Wie sehr sehnte sie sich danach, gerade jetzt von ihm in den Arm genommen und getröstet zu werden!
    Doch Jochen wandte sich ab. Zu tief hatte ihn der Tod des Kindes getroffen. Er konnte ihr nicht verzeihen.
    «Jochen, bitte!», wimmerte Sibylla kläglich. Jochen hob eine Hand, als wolle er sie streicheln, doch dann ließ er sie sinken und stand mit einer unglaublich müden Bewegung auf. Im selben Moment schellte unten die Türglocke.
    «Das wird der Arzt sein. Er wollte noch einmal nach dir sehen», sagte er, und Sibylla sank zurück in die Kissen, als er das Zimmer verließ.
    Dann hörte sie, dass der Arzt eintrat, und öffnete die Augen.
    Über sie gebeugt stand der Mann, der sie vor der Menge und der Zunftmeistersfrau beschützt hatte.
    «Ihr?», fragte Sibylla. «Was macht Ihr hier?»
    «Ich bin Arzt», erwiderte der Mann. «Isaak Kopper heiße ich.»
    Sibylla nickte, dann fragte sie: «Was ist geschehen?»
    Isaak Kopper nahm Sibyllas Hand in seine, hielt sie fest und rieb sie, damit sie sich erwärmte.
    «Das Kind muss wenige Stunden vor der Geburt gestorben sein, vermute ich», erklärte Kopper mit leiser, ruhiger Stimme.
    Sibylla weinte. Jetzt, da Kopper an ihrem Bett saß und Jochens

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