Die Pelzhändlerin (1. Teil)
die einfachen Leute, daneben einige verzierte Umhänge zu einem günstigen Preis, kurze Mäntel aus Marderfell für die betuchteren Kunden, Kappen aus allen Materialien und in allen Preislagen, ein paar Gürtel von Pelz und Flechtwerk und die kleinen Felltierchen.
Die Waren verkauften sich gut, aber nicht so gut, wie Sibylla es gewünscht hatte. Und sie kannte auch den Grund dafür: Für Frankfurter Verhältnisse waren die Sachen aus der Kürschnerei Theiler gute Ware zu vernünftigen Preisen. Doch die Kürschner aus den anderen Städten, allen voran die Leipziger, zeigten mehr Mut zur Mode, größere Vornehmheit. Nicht nur beste Handwerksarbeit zeichnete die Waren aus Sachsen aus, sondern obendrein ein besonderer Schick, den Sibylla bei den eigenen Produkten so vermisste, ja, der die Stücke aus dem eigenen Haus altbacken und bieder wirken ließ.
Obwohl sie nicht den ganzen Tag mit Verkauf und Beratung beschäftigt war, langweilte sich Sibylla nicht eine Minute. Sie beobachtete die Leute, vor allem die Frauen, staunte über die Anmut der Italienerinnen, die in dieser Saison Kleider mit bestickten Ärmeln trugen und von Herren begleitet wurden, deren samtene Leibröcke bis zu den Knien reichten. Sie sah die Französinnen, die ihre Kleider mit breiten Stoffbahnen, die um die Hüften geschlungen waren, verzierten, und bewunderte die breitkrempigen Hüte der Spanier und die eng am Kopf liegenden Kappen der venezianischen Dogen.
Besonders intensiv aber musterte sie die Kleidungsstücke aus Pelz: Seidenmäntel, mit Marder gefüttert und breitem Besatz, Pelzstücke, die wie ein Tuch umgelegt wurden und von denen sie hörte, dass man sie Stola nannte. Kappen und Barette aus Zobel und Hermelin, mit Federn geschmückt für die Herren, gefütterte Lederhandschuhe mit Goldstickerei, Hauben aus kostbarem Pelz, mit Perlenstickerei versehen, für die Damen. Gerade lief eine reiche Patrizierin mit ihrem Mann vorbei, das Ehepaar Heller, das das größte Haus in Frankfurt, den Nürnberger Hof, sein Eigen nannte.
Jakob Heller, der, wie es hieß, von Albrecht Dürer einen Altar malen ließ, trug einen Mantel von herrlichem, glänzenden Zobel über einem Seidenwams. Seine Frau war ganz in Samt gekleidet und besaß selbstverständlich schon ein Stück der neuesten Mode, eine Stola aus Hermelin, die sie um ihre Schultern geschlungen hatte, aber so, dass die kostbare Brüsseler Spitze, aus der das Brusttuch war, gut zu sehen war. Als die Hellers bei einer Blumenfrau vorbeikamen, erstand Heller für seine Gemahlin ein kleines Sträußchen der ersten Veilchen. Die Hellerin nahm den Strauß entgegen, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre, Blumen geschenkt zu bekommen. Sie hielt die Veilchen vor ihre Brust und roch daran, und Sibylla dachte mit Bedauern, dass die kleinen Pflanzen schon sehr bald verwelkt sein würden. Man müsste Blumen aus Pelzwerk fertigen, überlegte sie. Fellblumen mit Stängeln aus gefärbtem Leder und einer Perle als Blütenmitte.
Am liebsten hätte Sibylla alles, was sie sah und was ihr einfiel, sogleich in ein kleines Büchlein gezeichnet und mit wenigen Worten beschrieben. So viel Neues, so viel Erstaunliches und Schönes erblickte sie, dass sie Angst hatte, etwas zu vergessen. Wie bieder und fad, wie eintönig und geschmacklos kamen ihr dagegen ihre eigenen Waren vor. Beinahe schämte sie sich für die Erzeugnisse aus der Kürschnerei Theiler. Sie wünschte, Jochen wäre hier und könnte all die Pracht, all die Möglichkeiten der Verarbeitung sehen und sich davon anregen lassen. Doch Jochen war nicht da. Er war unterwegs, um neue Felle zu kaufen, und jedes Mal, wenn Sibylla daran dachte, musste sie seufzen. Wie gern wäre sie mit ihm gegangen! Sie wusste, dass sie ein Auge für Pelzwerk hatte, dass sie vom Rohfell aus schon Farbzusammenstellungen bestimmen konnte und auch die gewandtere Händlerin war. Aber Jochen hatte das größere Fachwissen. Schadhafte Ware erkannte er auf Anhieb, wusste auch, welchem Rauchwarenhändler er vertrauen konnte und welcher die besten Preise hatte.
Und trotzdem wäre Sibylla gern dabei gewesen. Jochen war zu vorsichtig, scheute jedes Wagnis und würde nur die Felle kaufen, von denen er sicher war, dass für die daraus gefertigten Waren auch Abnehmer vorhanden waren. Niemals würde er ohne festen Auftrag zu den teuren Pelzen greifen, Marder, Kanin und Feh nur in kleinen Mengen kaufen, dafür Unmengen Billigware wie Schaf-, Ziegen- und Feldhasenfelle. Die Gerbkosten waren
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