Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Arbeiten.»
Sibylla verstummte, über Isaak Koppers Lippen huschte ein leises Lächeln.
«Ich verstehe Euch gut, Meister Theiler. Auch mir wäre es unlieb, den ganzen Tag Menschen im Haus zu haben, die bei der Arbeit nur stören. Deshalb habe ich Lucia die ganze obere Etage während ihres Aufenthaltes zur Verfügung gestellt und habe mich selbst in meine Laborräume im Keller und im Erdgeschoss verzogen. Vielleicht wäre ein solches Abkommen in Euerm Hause auch möglich?»
Jochen warf Sibylla bei diesen Worten einen dunklen Blick. Es gab im Theilerhaus nur eine einzige freie Kammer – das Kinderzimmer.
Kopper hatte den Stimmungsumschwung bemerkt.
«Wollt Ihr Euch mein Labor einmal ansehen?», fragte er, stand auf und forderte Jochen mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Jochen nickte, dann verließen die beiden Männer das Zimmer.
Sibylla erfuhr nicht, was Jochen in Koppers Laborräumen gesehen hatte oder worüber sie gesprochen hatten. Doch in der Nacht war Jochen wie verwandelt. Erst jetzt, drei Jahre nach dem Tod des Kindes, nahm er seine Frau in die Arme, streichelte sie so behutsam, als wäre sie aus hauchdünnem Glas, und trocknete ihre Tränen.
Wenige Tage später mietete er in einem Handelskontor zwei Lagerräume für die Pelze und begann, für Sibylla eine eigene kleine Werkstatt im Theilerhaus einzurichten.
In den hohen Wandregalen lagerten Stoffmuster, Kordeln und Spitzen. Daneben standen einige Leuchter, die Sibylla von den Silber-, Kupfer- und Messingschmieden als Muster erhalten hatte. Auch die Kannengießer hatten nicht mit Warenmustern gegeizt, so wenig wie die Tuchmacher, Gürtelmacher, Schuster und Leinweber.
Sibylla selbst war allerdings die meiste Zeit außer Haus. Die Bürgersfrauen riefen nach ihr und baten sie, im eigenen Haus Vorschläge zur Einrichtung zu machen oder sie in Kleiderfragen zu beraten. Damit verdiente Sibylla Geld, nicht mit dem Verkauf.
Sie brannte darauf, alles Lucia zu erzählen, von der ein Bote vor kurzem einen Brief gebracht hatte. Und was hatte die Freundin nicht alles Aufregendes geschrieben! Sie holte das dicht beschriebene Papier hervor und las noch einmal, was Lucia zu berichten hatte:
Liebe Sibylla,
so schön es bei euch war, bin ich doch froh, wieder in Florenz zu sein. Es ist schön hier, besonders im Frühling. Die Frauen tragen in diesem Jahr bei uns einfache, schlichte Kleider, die an die herrlichen Statuen erinnern, welche unsere Künstler nach dem Vorbild der griechischen Antike gefertigt haben. Helle, leichte Stoffe, die beinahe gerade bis zum Boden fallen und nur an den Schultern zusammengehalten werden. Ich habe für dich einige kleine Zeichnungen beigelegt, die die Schnitte genau beschreiben.
Ach, Sibylla, du fehlst mir so. Ich denke so oft an unsere Gespräche zurück und wünsche mir, mit dir zusammen durch Florenz zu schlendern. Es gibt so vieles, was ich dir zeigen möchte.
Aber ich weiß ja, Jochen braucht dich in der Werkstatt, kann dich nicht für ein paar Wochen oder Monate gar entbehren, damit du nach Florenz kommen kannst. So bleibt mir nur, dich zu umarmen und Gott darum zu bitten, uns recht bald ein Wiedersehen zu bescheren.
Sibylla lächelte ein bisschen wehmütig; einmal nach Italien zu fahren, wie schön das wäre. Dann griff sie zu ihrer Feder und führte sie übers Papier:
Lucia, meine liebe Freundin,
der Samen, den du gelegt hast, ist aufgegangen. Seit Jochen mir eine eigene kleine Werkstatt eingerichtet hat und ich ganz nach meinen Vorstellungen arbeiten kann, bin ich glücklich. Zumindest fast. Aber irgendetwas gibt es wohl immer, das uns unzufrieden sein lässt, nicht wahr? Vielleicht könnten wir kleingläubigen Menschen das richtige Glück gar nicht aushalten. Oder erkennen wir es einfach nicht?
Wie dem auch sei: Ich habe heute einen großen Auftrag bekommen, wahrscheinlich durch die Fürsprache der Goldschmiedin, von der ich dir erzählt habe.
Zu Pfingsten findet auf dem Römerberg das größte Volksfest der Frankfurter statt. Die Zünfte geben ein Passionsspiel, das vier Tage dauert.
In diesem Jahr werden die Spiele von der Goldschmiedezunft ausgerichtet – und stell dir vor: Die Werkstatt Theiler ist mit der Ausstattung des Pelzwerkes beauftragt worden. Alle Kostüme und Gegenstände aus Fell sollen von uns entworfen und gefertigt werden.
Ist das nicht wunderbar?
Es gibt keine bessere Gelegenheit, unsere Pelzwaren einem großen Publikum vorzustellen.
Ich habe eigens für die Schauspieler einen Handwärmer
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