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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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saß und großen Einfluss auf die Geschicke der Stadt hatte, der Werkstatt einen Besuch ab.
    «Einen Mantel möchte ich», sagte er und sah sich um. «Einen Mantel, wie ihn Pontius Pilatus bei den Spielen auf dem Römer trug. Aus Hermelin, mit Seide gefüttert und passendem Besatz. Der Meister selbst soll ihn machen. Nur das Barett dazu, das kann der Altgeselle machen.»
    «Gern. Gewiss», erwiderte Sibylla und bot einen Platz im besten Stuhl und einen Becher vom besten Wein an.
    «Wann soll der Mantel fertig sein?»
    «Im September, denke ich. Ich plane nach der Messe eine Reise in den Osten. Die Stürme dort sind schon im Oktober rau und kalt.»
    «Im September?» Sibylla schüttelte den Kopf. «Der Meister liegt krank. Bis September können Mantel und Kappe umöglich fertig sein.»
    Jakob Rorbach stand auf. «Gut, Theilerin. Dann gehe ich zu einer anderen Kürschnerei. Ich kann nicht warten und meine Reise nach der Gesundheit des Meisters ausrichten.»
    «Aber mein Mann ist der beste Kürschner der Stadt. In den anderen Werkstätten werdet Ihr nicht so gut bedient. Auch der Schnitt des Mantels ist von uns erdacht.»
    Rorbach zuckte mit den Achseln. «Mag sein, Theilerin, dass Ihr gute Handwerker seid. Gute Geschäftsleute seid ihr allerdings nicht. Denn was nützt Euch Euer Geschick, wenn Ihr es nicht zur rechten Zeit unter Beweis stellen könnt?»
    Rorbach setzte sein Barett auf und wandte sich zum Gehen. Sibylla kämpfte mit sich. Das war die Gelegenheit, auf die sie schon so lange gewartet hatten.
    «Wartet!» Sie stellte sich ihm in den Weg. «Wir werden den Mantel im September fertig haben. Mein Wort darauf. Sobald es Euch recht ist, könnt Ihr kommen, damit der Altgeselle Euch Maß nehmen kann.»
    «Gut, Theilerin», nickte Rorbach. «Dann werde ich übermorgen um die Mittagsstunde bei Euch sein. Aber Maß nehmen lass ich mir nur vom Meister.»
     
    «Nein, Sibylla», krächzte Jochen. «Ich kann beim besten Willen nicht aufstehen. Schwach fühle ich mich, so schwach, dass ich mich nicht auf den Beinen halten kann.»
    «Du musst, Jochen. Der Stadtrat Rorbach besteht darauf, dass du bei ihm Maß nimmst.»
    «Ich kann nicht, Sibylla. Ich bin krank.»
    Martha, die neben dem Bett wachte, tupfte Jochen mit einem Essiglappen den Schweiß von der Stirn.
    «Es geht ihm zu schlecht, Sibylla. Wollt Ihr ihn umbringen? Ruhe braucht er, Ruhe und viel Schlaf. Aufregung schadet ihm nur.»
    «Aber so eine Gelegenheit bekommen wir nie wieder!», flehte Sibylla verzweifelt und vergrub den Kopf in den Händen. «Wir dürfen den Patrizier nicht wegschicken. Unsere Zukunft hängt davon ab.»
    «Also gut», erwiderte Jochen schwach. «Ich werde Rorbach Maß nehmen, wenn er kommt. Doch gleich danach mit der Arbeit an dem Mantel zu beginnen, Sibylla, das kann ich nicht. Heinrich wird damit anfangen müssen. Und die Pelznäherin wird sich um das Futter kümmern.»
    Sibylla nickte erleichtert und gab Jochen einen Kuss. Hauptsache, er würde Maß nehmen, um den Rest würde sie sich schon kümmern.
     
    «Du gehst über Leichen, Sibylla. Du bist schuld daran, wenn Jochen stirbt.»
    Martha herrschte ihre Tochter wütend an. «Hättest du ihn nicht gezwungen, in die Werkstatt zu gehen und bei Rorbach Maß zu nehmen, wäre er jetzt vielleicht schon auf dem Wege der Besserung. Kaltherzig bist du, erbarmungslos und ohne Mitleid.»
    «Was verstehst du schon davon?», gab Sibylla zurück, doch sie fühlte sich schuldig. Seit Jochen nach dem Besuch Rorbachs in der Werkstatt zusammengebrochen war, hatte er keine klare Minute mehr gehabt. Und auch der Arzt hatte nicht helfen können.
    «Eine Lungenentzündung hat Euer Mann», hatte der Arzt diagnostiziert und bedauernd den Kopf geschüttelt.
    Jeder wusste, was das hieß. Eine Lungenentzündung überlebten die wenigsten. Jochens Tod war nur noch eine Frage der Zeit. Und sie, Sibylla, war dafür verantwortlich.
    «Kann man denn gar nichts tun?», hatte sie gefragt und die Hände gerungen.
    Der Arzt hatte den Kopf geschüttelt. «Nein. Betet, das ist das Einzige, was hier noch helfen kann.»
    Martha blickte ihre Tochter voller Verachtung an. «Niemand kann deinem Mann mehr helfen. Alles nur wegen deinem Starrsinn.» Sibylla blickte resigniert auf den Boden. Es musste doch eine Möglichkeit geben. «Kopper! Ich werde Kopper holen. Er muss helfen. Er ist der beste Arzt hier.»
    «Isaak Kopper ist nicht in der Stadt, und niemand weiß, wann er zurückkommt», wischte Martha Sibyllas Vorschlag

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