Die Pelzhändlerin (1. Teil)
erfunden. Eine Röhre aus Fell, die man an einem Band um den Hals tragen kann und in die man die Hände stecken kann. Jochen nennt ihn aus irgendeinem Grund immer ‹Muff›. Für die Schauspieler ist er einfacher zu handhaben als die üblichen Handschuhe. In den Muff kann man einfach hinein- und hinausschlüpfen. Was sagst du dazu, Lucia? Gibt es in Florenz Ähnliches?
Natürlich werden wir mit den Gewandschneidern und den anderen Zünften eng zusammenarbeiten, doch für die Einfälle im Pelzbereich ist allein die Theiler-Werkstatt zuständig.
Ach, Lucia, endlich, endlich können wir zeigen, was in uns steckt! Wie schön wäre es, wenn du jetzt bei uns sein könntest.
Ich umarme dich und schicke tausend Grüße an Florenz und an dich. Sibylla .
Kapitel 10
Aus den Fenstern der Häuser rund um den Römer hingen die Frankfurter. Sie standen in den Türen, hockten auf Simsen, Fässern, auf Balken oder gar auf dem Boden. Dicht drängte sich die Menge auf dem Platz.
Vor dem Römer aber warteten die Darsteller des Passionsspieles, rund 250 an der Zahl. Darunter waren junge Bürger, Handwerker aller Zünfte, sogar Geistliche. Die Schauplätze waren markiert, angedeutet durch Bretter und Balken, Sträucher und Tische.
Da drüben sollte der Jordan sein, daneben das Haus des Pontius Pilatus, auf der anderen Seite das Kreuz.
Sibylla trippelte unruhig von einem Bein auf das andere.
«Jochen, sieh, das da muss Judas sein. Ich erkenne ihn an seinem Mantel!», rief sie und zupfte aufgeregt an Jochens Ärmel. «Und das sind die Hirten. Sind unsere Umhänge nicht wunderschön?»
Sibylla war ganz aufgeregt vor Vorfreude. «Was werden die Leute erst sagen, wenn sie die wundervolle Schaube von Pontius Pilatus sehen!»
Sie hielt inne, betrachtete aufmerksam ihren Mann. Sein Gesicht war grau, die Lippen beinahe farblos.
Jochen wollte antworten, doch ein Hustenanfall schüttelte ihn, ließ in sich krümmen, nach Luft schnappen.
«Wollen wir gehen? Ist es nicht besser, du würdest dich hinlegen?», fragte Sibylla, doch Jochen schüttelte den Kopf.
«Mach dir keine Sorgen, es ist nichts. Ein bisschen Husten nur.»
Noch einmal sah Sibylla Jochen prüfend an, doch dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem Spiel – und den Kommentaren der anderen Zuschauer. Hoffte sie doch, dass sie die schönen Pelze bemerkten.
Die meisten Szenen wurden zwar in lateinischer Sprache aufgeführt, doch der Volkshumor der Frankfurter sorgte dafür, dass ein jeder verstand, was geboten wurde.
Gelächter brandete über den Platz, als die zwei Marien für die Balsamierung Jesu beim Medicus Spezereien kauften und dieser sich als rechter Quacksalber und Hanswurst erwies. Auch die vorlauten Worte seiner Frau ernteten Gelächter, und dem Medicus blieb nichts anderes übrig, als nach dem Knüppel zu greifen.
Sibylla amüsierte sich prächtig, grüßte in den Spielpausen nach rechts und links und versäumte es nie, die Umstehenden auf das wunderbare Pelzwerk der Darsteller aufmerksam zu machen.
Am Abend kehrten sie nach Hause zurück. In ihrer Begeisterung bemerkte Sibylla nicht, dass Jochen immer grauer im Gesicht wurde. «Glaube mir, schon in den nächsten Wochen wird halb Frankfurt zu uns kommen und sich Handwärmer für den Winter bestellen.»
Jochen wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Er blieb stehen, presste beide Hände auf seine Brust und rang pfeifend nach Atem. Sibyllas Enthusiasmus war wie weggeblasen.
Besorgt legte sie ihm die Hand auf die Stirn.
«Du bist ja glühend heiß», sagte sie und strich ihm über die Wange.
Wenig später lag er im Bett und trank den Lindenblütenaufguss, den Sibylla bereitet hatte, in kleinen Schlucken.
Auch zwei Wochen später, die Passionsspiele waren lange vorbei, konnte Jochen das Bett nicht verlassen. Noch immer wurde er von Hustenanfällen geschüttelt, lag mit schmerzender Brust und fiebernd im Bett.
Sibylla hatte Martha zu Hilfe geholt. Sie legte ihm kühlende Lappen auf die Stirn, flößte ihm Hühnerbrühe ein und machte ihm Kräutersud.
Sibylla musste sich um die Werkstatt kümmern, um die Kürschnerei und um ihre eigene kleine Einrichterei. Es gab viel zu tun, die Passionsspiele hatten den gewünschten Effekt gehabt. Sibyllas Rechnung war aufgegangen. Die Leute kamen und bestellten Handwärmer, sodass im Auftragsbuch bald kein freies Plätzchen mehr vorhanden war. Doch der größte Auftrag sollte noch kommen.
An einem heißen Tag im Juli statte Jakob Rorbach, ein Patrizier, der im Rat
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