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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Art sich dieses Ziel erreichen ließ.
    Diesmal war es Jochen, der eine Gewohnheit Sibyllas für geschäftliche Zwecke aufgriff.
    «Deine Sucht, alle Dinge, die dir gehören, mit einer kleinen Sonne zu verzieren, hat mich auf einen Gedanken gebracht», sagte er und sah seine Frau siegessicher an. «Wir werden ab sofort unsere gesamte Ware mit einer kleinen Sonne besticken, jedoch erst, wenn die Kunden ihre Schuld beglichen haben.»
    Sibylla nickte zwar, aber sie war nicht überzeugt: «Was haben die Kunden davon, wenn sie eine Sonne spazieren tragen, die sagt, dass die Ware bezahlt ist? Manche brüsten sich sogar damit, das Geld für ihre Umhänge nicht bezahlt zu haben.«
    Doch Jochen sah sie beinahe liebevoll an. Sie waren sich wieder näher gekommen, Sibylla trug auch wieder nachts das Fellkleid, doch der Bruch, den der Tod des Kindes verursacht hatte, ließ sich nicht mehr heilen.
    «Wer die Sonne trägt, zeigt, dass er ein echtes Theiler-Stück besitzt, dass er Vorreiter in Modedingen ist», versuchte er Sibylla zu überzeugen.
    «Das reicht einigen vielleicht als Anreiz aus, doch den gewöhnlichen Handwerkerinnen ist es gleich, ob sie die Ersten oder Zweiten oder Dritten mit diesem Stück sind. Sie erheben keinen Anspruch darauf, Vorreiter zu sein.» Sibylla war immer noch skeptisch.
    «Unsere Kundschaft wird sich ändern. Du selbst warst es, die es so wollte. Wenn die Eitelkeit allein nicht ausreicht, dann müssen wir uns die Habgier der Frankfurter zunutze machen. Für drei Stücke mit der Sonne aus unserer Werkstatt gibt es ein viertes umsonst dazu.»
    Sibylla schüttelte ungläubig den Kopf. «Du willst etwas herschenken? Das glaube ich nicht!»
    «Oh, nein, herschenken werde ich kein einziges Stück. Wir werden unsere Waren neu kalkulieren und das vierte Stück bereits auf die ersten drei draufschlagen.»
    «Und du glaubst, dass die Kundschaft so etwas nicht bemerkt? Sie werden zu anderen Kürschnern laufen, die weniger verlangen!», vermutete Sibylla.
    «Keine Sorge. Wir sind doch immer die Ersten, die deine Einfälle in die Tat umsetzen. Ehe die anderen Kürschner so weit sind, ähnliche Erzeugnisse anzubieten, hat ein Teil schon bei uns gekauft. Und wer ein Stück hat, der will auch das kostenlose dazu und kauft halt weiter. Bald schon wird jeder, der auf sich hält, ein Stück mit der Sonne haben wollen. Zwei Fliegen schlagen wir mit einer Klappe: Wir geben unserer Kundschaft das Gefühl, einen vornehmen Geschmack und Sinn für Stil zu haben, das auch noch bezahlen zu können.»
    Sibylla blickte ihren Mann verwundert an. «Ich wusste gar nicht, dass du so einfallsreich sein kannst», sagte sie.
    «Vielleicht bin ich keine Schöpfernatur wie du, ganz gewiss bin ich das nicht. Aber ein Geschäftsmann bin ich allemal.»
     
    Sogleich machte sich Sibylla an die Arbeit. Gemeinsam mit Martha und Barbara saß sie im Wohnzimmer und bestickte ein Teil nach dem anderen mit einer kleinen gelben Sonne.
    Auch wenn sie nicht gänzlich von Jochens Idee überzeugt war, so bewiesen die nächsten Tage und Wochen das Gegenteil: Allmählich füllten sich die Kassetten im Haus, und die Frauen zeigten einander beim Kirchgang die kleinen gelben Sonnen, die auf dem inneren Saum eingestickt waren.
     
    «Ein eigenes Markenzeichen zu erschaffen war ein toller Einfall», lobte Lucia und strahlte Sibylla an. «Du bist den umgekehrten Weg der Fugger gegangen. Die Augsburger haben zuerst mit ihren Waren überzeugt, bis man sich ihren Namen merkte. Du machst zuerst die gelbe Sonne bekannt und kommst dann mit deinen Neuheiten heraus.»
    «Ich weiß nicht», gab Christine, die gerade ihr zweites Kind geboren hatte und noch runder und zufriedener geworden war, zu bedenken, «ob das Neue wirklich immer besser ist als das Alte, Bewährte.»
    «Du redest schon wie Jochen», beschwerte sich Sibylla. Christine zuckte mit den Schultern und sah erst Lucia, dann Sibylla an.
    «Was sucht ihr eigentlich? Warum seid ihr nie zufrieden mit dem, was ihr habt und was ist? Von mir aus könnte das Leben genauso weitergehen. Ich brauche keine Veränderung, hab am Alten genug», sagte sie.
    «Aber die neue Einrichtung des Wohnzimmers gefällt dir, sagtest du. Das ist das Neue», erwiderte Sibylla und betrachtete noch einmal die frischen Polsterungen auf den Stühlen und Bänken. Gemeinsam mit Lucia hatte sie die neuen Decken, Kissen und Bezüge entworfen. Aus Pelz natürlich, wie es sich für einen Kürschnershaushalt gehörte. Nun bedeckten dunkle

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