Die Pelzhändlerin (1. Teil)
das Siegel vom Kloster Engelthal», sagte sie.
«Ich weiß», erwiderte Kopper. «Ida war nicht immer Magd. Früher war sie Nonne und das Kloster Engelthal die letzte Station, ehe sie zu mir kam.»
Sibylla erschrak zutiefst. Ihr wurde so kalt, dass ihre Zähne klappernd aufeinander schlugen. Kopper sah sie aufmerksam an, doch er fragte nichts.
«Es ist die Erschöpfung», erklärte Sibylla. «Ich habe nächtelang an Jochens Bett gewacht.»
Kopper nickte und streichelte ihre Wange. «Du kannst beruhigt schlafen. Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst.»
Dann wandte er sich ab und verließ das Theilerhaus.
«Was weißt du schon?», murmelte Sibylla. Ihre Schultern verspannten sich, und ihr Kopf begann zu schmerzen. Wenn Kopper aber wusste, wer sie wirklich war? Wenn Ida die wahre Sibylla gekannt hatte und von ihrem Sterben wusste? Was dann?
Nichts, beruhigte sie sich selbst. Wenn die beiden etwas wüssten, so hätten sie es längst zu erkennen gegeben.
Isaak hatte Recht: Es gab nichts, dass sie beunruhigen könnte.
Kapitel 11
Kopper behielt Recht. Jochen ging es von Tag zu Tag besser. Zwei Wochen noch lag er im Bett, doch dann stand er auf, zuerst nur für kurze Zeit, doch bald schon saß er wieder für ein, zwei Stunden in der Werkstatt und arbeitete an der Schaube für den Patrizier Rorbach. Wenn alles gut ging, würde der Mantel tatsächlich im September fertig sein.
Ein Monat blieb noch bis dahin.
Die Sonne schien mit ganzer Kraft vom Himmel. Die Luft war schwül und drückend, sodass Sibylla durchgeschwitzt war, als sie vom Besuch bei einer Kundin zurückkam.
Sie war froh über die große Kundschaft, die nicht nur Pelzwerk kaufte, sondern auch ihre Beratung suchte. Aber noch waren es nicht die Kunden, die sie sich heimlich wünschte. Noch kamen nur Handwerker, Krämer, kleine Kaufleute, Ärzte und Juristen zu ihnen. Die reichen Familien, die Zunftoberen, der Adel und Klerus, die großen Kaufleute und all die anderen, die in der Stadt etwas zu sagen hatten, die über Einfluss und Macht verfügten, fanden den Weg zum Hause Theiler noch nicht.
Wenn erst Rorbach ein Stück mit der eingestickten Sonne trägt, wird sich alles ändern, dachte Sibylla. Wenn er uns empfiehlt, wird Jochen eines Tages Zunftmeister werden und in den Rat der Stadt einziehen. Aber noch war es nicht so weit. Zunächst musste die Herbstmesse vorbereitet werden.
Sibylla seufzte und lief langsam die Schnurrgasse hinauf. Um einen Stand brauchten sie sich nicht mehr zu kümmern; ihr alter Platz in der Krämergasse war bestellt, ein Regendach dazu. Doch Sibylla selbst konnte nicht dort sein. Jochen war noch zu schwach, konnte noch nicht auf den Rauchwarenauktionen sitzen und Felle einkaufen. Sie würde das erledigen. Und Heinrich und Katharina würden abwechselnd den Stand betreuen.
Sibylla genoss die Stimmung auf der Rauchwarenmesse. In der Mitte der Halle war ein großer Tisch, auf dem die Ware lag. Die Rauchwarenhändler zeigten die einzelnen Partien hoch, beschrieben Herkunft, Qualität und – soweit geschehen – die Gerbung, machten ein Anfangsgebot und warteten auf die Reaktion der umstehenden Kürschner, Gerber und Wiederverkäufer.
«Beste Ware, beste Gerbung», schrie der Händler, ein zierlicher Mann aus Lübeck mit überraschend kräftiger Stimme, der Pelze aus den Nordlanden anbot.
«Zweionddreißig Gulden», rief ein Abgesandter der Leipziger Kürschnerzunft, an seiner Sprache gut zu erkennen.
«Fünfunddreißig Gulden», brüllte ein Kölner Rauchwarenhändler.
Sibylla stand zwischen den Männern und suchte mit den Augen nach Santorin, einem Fernkaufmann aus Kiel, bei dem Jochen manchmal gekauft hatte. Als sie ihn nirgends entdecken konnte, fragte sie ihren Nebenmann.
«Habt Ihr Santorin aus Kiel schon gesehen?»
Der Mann nickte und lachte ein wenig hämisch. «Gesehen habe ich ihn nicht, doch gehört, er soll in der Weinstube sitzen.»
«In der Weinstube? Während der Auktion?»
«Ja. Er hat allen Grund zum Saufen. Seine Ware ist nicht hier, liegt vor Kassel fest.»
«Wieso das?»
Der Mann beugte sich zu Sibylla und raunte ihr ins Ohr: «Man sagt, einer der Kolonnenführer hätte den schwarzen Tod. Alle Wagen aus Kiel liegen fest, dürfen nicht weiter, um die Pest fern zu halten.»
Sibylla dankte für die Auskunft und nickte. Dann drehte sie sich entschlossen um und ging in die Weinstube.
Der Fremde hatte Recht gehabt. Santorin saß in einer Ecke, einen Becher vor sich, und blickte trübsinnig
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