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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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auf die Tischplatte.
    «Gott zum Gruß, Santorin. Darf ich mich zu Euch setzen?», fragte Sibylla und sah sich aufmerksam in der Wirtschaft um. Es war nicht üblich, dass Frauen ohne Begleitung und noch dazu am hellen Tag in eine Weinstube gingen. Und unziemlich war es, sich obendrein an den Tisch eines fremden Mannes zu setzen. Doch Sibylla sah niemanden, den sie kannte.
    «Setzt Euch, Theilerin, und trinkt mit mir», erwiderte Santorin missmutig.
    Der Wirt brachte noch einen Krug mit Apfelwein und einen Becher. Als sie getrunken hatten, begann Sibylla das Gespräch.
    «Ihr habt Pech gehabt, hörte ich. Eure Ware liegt vor Kassel. Es tut mir Leid für Euch, dass es deswegen mit den Geschäften nicht klappt.»
    «Ja», nickte Santorin. «Ein gottverfluchtes Pech, das kann man wohl sagen. Es wird noch dauern, ehe die Ware frei wird und ich sie verkaufen kann. Wie soll ich aber die Bestellungen der Kieler Handwerker jetzt auf der Frankfurter Messe besorgen, wenn ich kein Geld habe? Mit leeren Fässern werde ich nach Kiel zurückkehren müssen und meine Kunden verlieren.»
    Santorin schnaufte und trank einen neuen Becher in hastigen Zügen leer.
    «Habt Ihr keine Kreditgeber in der Stadt?», fragte Sibylla.
    Santorin lachte bitter auf. «Kreditgeber, ha! Halsabschneider sind das. Für einen Kredit braucht man eine Sicherheit. Und Rauchwaren, die mit dem schwarzen Tod in Verbindung gebracht sind, eignen sich nicht als Sicherheit. Nichts habe ich, Theilerin, gar nichts.»
    Sibylla sah Santorin mitleidig an. «Die Zeiten sind hart, Santorin, wem sagt Ihr das. Doch erzählt, wie viel Rauchwaren sind Euch verloren gegangen?»
    Santorin winkte ab. «Zwei Wagenladungen. Eine mit Edelpelzen aus den Nordländern. Seehund und Bär, Zobel und Hermelin. Die andere mit einheimischen Fellen wie Marder, Waschbär, Fuchs und Feh.»
    «Sind die Pelze gut verpackt?», fragte Sibylla.
    Santorin nickte. «Natürlich. In Fässern stecken sie, die mit Pech verschmiert sind, um sie vor Wettereinflüssen zu schützen. Doch wenn sie noch lange in den Fässern liegen, dann werden sie muffig und glanzlos.»
    «Ein großer Verlust für Euch», stimmte Sibylla zu.
    Die beiden schwiegen eine Weile. Sibylla, weil sie nachdachte, und Santorin, weil er erneut in Trübsinn versank.
    «Wie viele Gulden hattet Ihr von den beiden Wagenladungen erhofft?», fragte Sibylla schließlich und legte Santorin tröstend eine Hand auf den Arm.
    «An die 200 wohl. Vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger. Die Konkurrenz ist stark vertreten diesmal. Die Sachsen holen auf, und wenn wir nicht aufpassen, wird der Mittelpunkt der Rauchwarenherstellung bald in Leipzig liegen.»
    «Santorin, ich zahle Euch die Hälfte, genau 100 Gulden, sofort, wenn Ihr mir die beiden Wagen überlasst», sagte Sibylla mit leicht gepresster Stimme. 100 Gulden waren eine gewaltige Summe Geld. Beinahe alles, was die Kürschnerei Theiler an Barem besaß. Aber sie musste das Wagnis eingehen. Solch eine gute Gelegenheit ergab sich nie wieder.
    Santorin sah überrascht hoch. Sein Gesicht wirkte plötzlich hellwach. «100 Gulden?», hakte er nach «Das ist zu wenig. Damit decke ich gerade meine Kosten. Ein schlechtes Geschäft.»
    «Gut, Santorin», entgegnete Sibylla. «Ihr müsst ja nicht verkaufen, und ich muss auch nicht kaufen.»
    Sie stand auf und wandte sich zum Gehen.
    «Wartet, Theilerin. 100 Gulden sagt Ihr?»
    Sibylla nickte.
    «Legt noch 20 Gulden drauf, dann ist die Ware Euer.»
    «10 Gulden, keinen Heller mehr.»
    «Abgemacht.»
    Santorin reichte Sibylla die Hand, und Sibylla schlug ein.
    «Kommt am Abend in die Trierische Gasse und holt Euer Geld. Ich erwarte Euch nach dem Abendläuten», schloss Sibylla das Geschäft ab, und Santorin nickte. Sie lächelte, drehte sich um und verließ die Weinstube.
    Draußen atmete sie noch ein paar Mal kräftig ein und aus. Das Geschäft war ein Wagnis. Zwei Wagenladungen Pelze! Sie würden Jahre brauchen, um sie zu verarbeiten. Doch der Preis dafür war atemberaubend günstig. Nein, Jochen konnte nichts dagegen haben. Santorin war ein ehrlicher Kaufmann. Er war für gute Ware zu einem anständigen Preis bekannt. Sibylla hatte noch nie gehört, dass jemand etwas Schlechtes über den Kieler geäußert hatte.
    Langsam ging sie durch die belebten Gassen der Altstadt, in denen das Messegetümmel seinen Höhepunkt erreicht hatte.
    Sie machte noch ein paar kleinere Geschäfte, tauschte hier einen Marderumhang gegen Mailänder Samt, dort

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