Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Luft.
«Eine Lungenentzündung hat er, sagt der Arzt», erklärte Sibylla. Ida nickte wieder und bedeutete ihr, ihr zu folgen.
Die beiden Frauen gingen in die Küche, die ganz anders aussah, als Sibylla erwartet hatte.
Auf Borden standen dunkle Krüge mit lateinischen Aufschriften. An einen Balken waren unzählige Sträuße stark duftender Kräuter gebunden, in einem Mörser warteten Samen darauf, zerrieben zu werden. Wie in der Küche einer Zauberschen sah es hier aus.
Ida machte sich an einigen Flaschen zu schaffen, füllte Kräuter, Samen und Körner in einen zweiten Mörser, zerrieb alles gründlich und goß eine stark riechende Flüssigkeit aus einem verschlossenen Krug, der mit «Alcohol» bezeichnet war, in die Mischung. Sie rührte alles kräftig um, füllte den grünlichen Saft in eine Flasche und reichte sie Sibylla.
Dann nahm sie einen Holzlöffel und hob drei Finger ihrer Hand.
«Dreimal täglich einen Löffel voll», übersetzte Sibylla, und Ida nickte.
Die Alte begleitete Sibylla zur Tür, sah sie noch einmal aufmerksam an und verzog ihre zungenlose Mundhöhle zu einer Art Lächeln. Dann legte sie ihr die Hand auf die Schulter und schob sie zur Tür hinaus.
Am Abend, als Sibylla die Flasche in die Hand nahm, um den Saft auf den Löffel zu füllen, fiel ihr Blick auf den Flaschenboden. Sie erschrak so sehr, dass sie einen Teil der Flüssigkeit auf den Boden goß. Auf dem Flaschenboden prangte unübersehbar das Siegel des Klosters Engelthal.
Aufopferungsvoll kümmerte sich Sibylla um Jochen. Jede Nacht wachte sie an seinem Bett. Tagsüber lief sie durch die Werkstatt und kontrollierte die Arbeit der Gesellen, sprach mit Heinrich, der sich knurrend fügte, die Tagesaufgaben ab, besuchte Kunden, hetzte in ihre eigene Werkstatt, beriet die Frankfurterinnen. Immer mehr Frauen kamen, um sich von Sibylla ihre Wohnungen einrichten zu lassen. Es schien fast so, als wäre ein Modefieber unter den Bürgerinnen ausgebrochen, als wollten sie keinen Tag länger hinter den Patrizierinnen und Adeligen zurückstehen. Die Kleider konnten nicht kostbar und einmalig genug sein, die Wohnräume nicht mehr ohne wertvolle Leuchter und prächtige Decken auskommen.
Sibylla jagte hin und her. Sie rannte nach oben, um nach Jochen zu sehen, stand einige Minuten neben seinem Bett und forschte aufmerksam in seinem Gesicht nach Zeichen der Veränderung. Mit Martha, die ihn pflegte, vermied sie jeden Blickkontakt.
«Wie geht es dir?», fragte sie ihn. Das Fieber war gefallen, er redete nicht mehr wirr, aber die große Schläfrigkeit und Schwäche hielten an.
Jochen senkte als Antwort die Lider.
«Kann ich dir etwas bringen? Brauchst du irgendetwas?»
Jochen schüttelte den Kopf. Hilflos und überflüssig saß Sibylla an seinem Bett, seufzte schließlich und ging mit den Worten: «Ich sehe später noch einmal nach dir.»
Sie rannte die Treppe hinunter in die Küche.
«Barbara, wir brauchen ein Suppenhuhn, frische Eier und getrocknete Kräuter für den Aufguss. Mach den Gesellen, der Näherin, Martha und mir Hafergrütze. Für Jochen aber bereite eine gute Hühnerbrühe.»
Barbara nickte: «Ist gut», doch Sibylla hörte es nicht, denn sie war schon weiter in die Werkstatt gelaufen.
«Heinrich, wie weit bist du mit dem Blütenumhang für die Weißnäherin Witzel? Hast du die Fellpartien für Rorbachs Schaube schon ausgesucht?»
«Langsam, Meisterin», brummte Heinrich. «Gut Ding will gut Weile haben.»
«Wir haben aber keine Zeit. Die Schaube soll im September fertig sein. Also sieh zu, dass du damit beginnst.»
Ihr Blick fiel auf die Pelznäherin, die, leise vor sich hin singend, auf einem Schemel unter dem Fenster saß. Sibylla trat zu ihr und nahm ihr die Arbeit aus der Hand.
«Soll das etwa eine ordentliche Naht sein?», herrschte sie Katharina an. Die Pelznäherin senkte schuldbewusst den Blick.
«Liederlich, du bist liederlich. Dein Lebenswandel und deine Arbeit ebenso. Was du am Abend machst, ist mir gleichgültig. Aber hier nähst du ordentlich. Hast du mich verstanden?»
Das Mädchen sah Sibylla aus großen Augen, in denen die Tränen standen, an und nickte stumm.
Heinrich kam hinzu, legte Sibylla eine Hand auf die Schulter. «Sie arbeitet fleißig, die Kleine», sagte er leise. «Ihr braucht sie nicht zu schelten, ich achte schon auf ihre Arbeit.»
Sibylla fuhr herum, funkelte Heinrich wütend an und wischte seine Hand von ihrer Schulter.
«Ruht Euch aus, Meisterin. Ihr seid erschöpft», fügte
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