Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Sibylla ihr tröstend die Hand auf die Schulter. Sie ahnte, dass Katharina ihre Liebschaft als Sünde ansah, die Strafe Gottes in Form der tödlichen Krankheit erwartete und vor Angst beinahe verging.
«Es ist jetzt nicht die Zeit, um über Gott zu reden», befand Sibylla und wendete sich wieder Jochen zu. «Geh aufs Land, Jochen. Nimm die Bediensteten mit. Alle, bis auf den Altgesellen. Hier kann ich sie sowieso nicht brauchen. In ihrer Angst bringen sie mehr Schaden als Nutzen.»
Sie warf einen Blick auf die Pelznäherin, die dem Gespräch mit großen Augen lauschte.
«Gut», beschloss Jochen. «Wir gehen. Aber gemeinsam und alle. Auch du, Sibylla.»
Sibylla schüttelte den Kopf. «Ich kann nicht weg, Jochen. Heinrich und ich müssen hierbleiben und die Aufträge fertigstellen.»
«Die meisten Kürschner aus unserer Straße sind schon weg. Mit Kind und Kegel», versuchte Jochen seine Frau umzustimmen.
«Das ist gut. Gut für unsere Werkstatt», erwiderte Sibylla.
«Dann können wir deren Aufträge übernehmen. Eine solche Gelegenheit, an andere und bessere Kunden heranzukommen, bietet sich nicht alle Tage. Außerdem wartet der Patrizier Rorbach auf seine Schaube. Ich bleibe.»
«Es kann uns das Leben kosten, wenn wir bleiben», mahnte Jochen. «Ich bitte dich, Sibylla, sei einsichtig.»
«Und es kostet uns Kunden, wenn wir gehen», Sibylla blieb hartnäckig. «Im schlimmsten Falle kostet es uns sogar Haus und Werkstatt. Die Werkstatt aber ist mein Leben. Mach, was du willst, Jochen, aber ich bleibe.»
Die Stadt leerte sich weiter. Doch bevor die Reichen mit Sack und Pack Frankfurt verließen, um auf ihren Landgütern das Ende der Pest abzuwarten, suchten sie nach Kürschnerwerkstätten, in denen sie ihre Aufträge abgeben konnten.
Die Pest würde nicht ewig dauern. Das Leben würde weitergehen, trotz allem. Und auf den Herbst folgte der Winter mit seiner Kälte, die nur von Pelzen abgehalten werden konnte.
Nun endlich kamen auch die Kunden, die sich Sibylla wünschte. Der Zunftmeister der Goldschmiede, Markus Harms, machte den Anfang. Er bestellte für seine Frau einen langen Mantel aus Fuchsfellen.
«Wer bürgt mir für die Bezahlung, wenn Ihr nicht da seid?», wollte Sibylla wissen. Jetzt, da sie die einzigen Kürschner in der Straße waren, konnte sie Forderungen stellen. Es gab keine Konkurrenz, zu der Harms ausweichen konnte.
«Fuchsfelle sind teuer. Wir können es uns nicht leisten, auf der Ware sitzen zu bleiben, wenn Ihr nicht rechtzeitig in die Stadt zurückkehrt.»
Harms hatte verstanden und zahlte im Voraus.
Dann kam Ebel, hatte schon die Reisekleidung an.
«Ich gehe in die Wetterau», sagte er und legte einen kleinen Stapel Papier auf den Tisch. «Hier sind die Aufträge, die noch fertig gestellt werden müssen. Die Felle dafür lasse ich Euch bringen, wenn Ihr die Arbeit übernehmen wollt.«
Sibylla sah den Stapel durch. «Wir können nicht alles machen, Pate», erwiderte sie. «Wir haben nur zwei Hände zum Arbeiten. Schickt uns einen von Euern Gesellen, dann sehen wir weiter. Und auf Bezahlung muss ich jetzt auch bestehen.»
Sibylla nahm vier der Bestellungen an sich. Sie hatte sorgfältig gewählt: Eine Kappe für den Abt des Dominikanerklosters, einen Umhang für den Ratsherrn Schimmelschmidt, eine Schaube für den Vitzum des Deutschherren-Ordens und eine pelzgefütterte Haube für die Frau des städtischen Zinsmeisters.
Ebel sah sie erleichtert an, dann bekam er plötzlich große Eile.
«Abgemacht, Sibylla. Gleich nachher schicke ich Euch zwei Gesellen und einen Beutel Gulden. Behüte Euch Gott. Ich werde in der Wetterau für Euch beten.»
Sibylla nickte. «Gott segne und behüte auch Euch, Ebel. Ich hoffe, wir werden uns wiedersehen.»
«Das weiß nur Gott allein», sagte Ebel und verschwand.
Am Abend drängte Sibylla wieder, dass Jochen mit den Bediensteten aufs Land gehen sollte.
«Fahr nach Kassel», schlug sie vor. «Warte dort, bis die Pest vorüber ist, und bringe auf dem Rückweg die beiden Wagenladungen mit den Pelzen mit. Wir werden sie brauchen.»
Doch Jochen ließ sich nicht beirren. «Ich bin dein Mann», sagte er. «Habe vor Gott gelobt, treu zu dir zu stehen. In guten wie in schlechten Tagen. Wenn du bleibst, bleibe ich auch. Und Heinrich wird die Stadt sowieso nicht verlassen.
Es wäre mir jedoch lieb, wenn wir Katharina, die beiden Gesellen und den Lehrbuben nach Kassel schicken würden, um Santorins Pelze zu holen. Sie sind noch jung, sollen
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