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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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jedoch dem Branntwein trotzdem so weit zugesprochen hatte, dass er sich überlegen fühlte. In diesem Zustand war er am gefährlichsten, weil er dann keine Scham, wohl aber noch seine fünf Sinne beieinander hatte.
    Schieren trat hinter Katharina und Sibylla, die gerade dabei waren, eine Kissenhülle aus dunkelblauem Samt mit Brüsseler Spitze für die Ratsherrin Willmer zu verzieren. Mit dem Fuß kippte er den Schemel, auf dem Katharina saß, um. Das Mädchen kreischte auf und stürzte heulend zu Boden.
    «Halt’s Maul», schrie Schieren und kümmerte sich nicht weiter um die weinende Katharina, die sich ängstlich unter dem Tisch in Sicherheit brachte.
    Seine geballte Faust schlug knallend in die leere Fläche der anderen Hand.
    «Hast du mir wieder nicht gehorcht, Weib, verfluchtes?», zischte er. Er kam näher und beugte seinen massigen, ungepflegten Körper dicht zu seiner Frau herunter, die voller Ekel zurückwich. Mit einer Hand stütze er sich schwer auf den Tisch, mit der anderen langte derb nach Sibyllas Kinn und hauchte ihr seinen üblen Atem ins Gesicht. «Was verdient ein Weib, das seinem Mann nicht gehorcht?», herrschte er sie an.
    Sibylla, die Lärm und Ärger vermeiden wollte, schwieg, drehte ihr Kinn aus Schierens Klammergriff, stand auf und räumte ihre Arbeit zusammen.
    «Anworte mir gefälligst!», schrie Schieren und griff hart nach Sibyllas Ellbogen, drehte ihr den Arm auf den Rücken. Mit einem Aufschrei ließ Sibylla die Kissenhülle mit der gehefteten Spitze fallen, und Schieren nutzte sofort die Gelegenheit, darauf herumzutrampeln und Sibyllas Tagwerk zu zerstören.
    «Hör auf damit!», kreischte sie. «Hör auf und geh zu Bett.»
    «Wagst du es, mir Befehle zu erteilen?», brüllte Schieren, und wieder bildete sich in seinen Mundwinkeln weißlicher Schaum, der bei jedem Wort davonstob.
    «Lass mich in Ruhe», fuhr ihn Sibylla an und bückte sich, um die Kissenhülle aufzuheben.
    Darauf schien Schieren nur gewartet zu haben. Er versetzte Sibylla einen so derben Tritt mit seinen genagelten Stiefeln, dass sie nach vorn flog, mit dem Gesicht hart auf dem Boden aufschlug und ihr kurz die Sinne schwanden.
    Schieren lachte hämisch. «Das soll dir eine Lehre sein. Das nächste Mal hole ich den Knüppel», drohte er, dann hörte Sibylla seine schweren Schritte die Treppen hinaufstampfen.
    Sie schüttelte sich, stand auf und sah noch lange auf die Tür, hinter der Schieren verschwunden war.
    Einige Abende später kam Schieren wieder heimlich wie ein Dieb zu früher Stunde nach Hause, und wieder fand er Sibylla am Tisch in der Einrichterei mit Sticken beschäftigt.
    Diesmal war sie allein. Sie hatte Katharina seit dem Vorfall stets früh zu Bett geschickt.
    Wieder begann Schieren zu schreien und zu toben. Doch Sibylla rührte sich nicht. Als würde sie ihn weder sehen noch hören, saß sie am Tisch und ging weiter ihrer Arbeit nach.
    «Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!», brüllte Schieren, doch Sibylla lachte nur auf und bestickte weiter einen dunkelblauen Tischläufer aus Samt, der ebenfalls für die Willmerin bestimmt war.
    Obwohl Sibylla nicht aufsah, hörte sie doch an Schierens Schritten, dass er sich dem Tisch näherte. Als seine Stiefel in ihr Blickfeld kamen, sprang sie auf und griff sich den Knüppel, den sie beizeiten bereitgestellt hatte.
    «Wage es nicht, mich anzurühren», sagte Sibylla leise.
    Schieren nahm sie nicht ernst, er lachte. Der Branntwein hatte ihn mutig gemacht und ihn die Szene in der Küche, die sich vor ein paar Wochen abgespielt hatte, vergessen lassen. Er merkte nicht, dass es Sibylla mit ihren Worten bitterernst war. «Noch einen Schritt, und ich schlage dir den Schädel ein», fauchte sie, und wieder lachte Schieren.
    Er breitete die Arme aus und grölte, als wolle er Gänse verscheuchen: «Kusch, kusch, kusch!» Als er die Hand ausstreckte, um nach dem Zopf seiner Frau zu greifen, schloss Sibylla die Augen, schwang den Knüppel und ließ ihn auf Schierens Schulter niederkrachen. Er stürzte aufheulend zu Boden, hielt sich die Stelle, an der der Knüppel ihn getroffen hatte, und wälzte sich hin und her.
    «Lass dir das eine Lehre sein», sagte Sibylla mit beherrschter Stimme. «Ab heute schlage ich zurück.»
    Dann räumte sie, ohne auf den stöhnenden Mann zu achten, ihre Stickarbeit zusammen, blies die Talglichter aus und ging zu Bett.
    Seit diesem Abend im November hatte sie zwar Ruhe vor Schieren, aber sie wusste, dass er nur darauf lauerte, sich bei

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