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Die Pension Eva

Die Pension Eva

Titel: Die Pension Eva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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fing an, ihm die Füße zu küssen.
    Der Oberleutnant war nicht wenig überrascht, packte sie bei den Haaren und versuchte, sie zum Aufstehen zu bewegen. Er hatte nicht befohlen, dass man ihm die Füße küsste. Als Ambra sich nicht davon abbringen ließ, fing er an zu brüllen wie ein Verrückter. Von unten stürzten Signora Flora, drei andere Gäste und zwei der Mädchen herauf. Als sie die Tür öffneten, war Ambra bereits in Ekstase. Ihr Körper war steif wie ein Brett, ihre Lippen geöffnet, sodass sie die Zähne entblößten. Die Augen waren nach hinten gerollt, man sah nur noch das Weiße. Der Oberleutnant fluchte auf Deutsch, nahm seine Kleider, packte eines der beiden Mädchen am Arm, zog sich mit ihr in ein freies Zimmer zurück, verschloss die Tür und kam nach zwei Stunden erst wieder heraus.
    Abends bei Tisch diskutierten Signora Flora und die Mädchen über das, was geschehen war. Signora Flora sprach das Gebet für Ambra, denn das Mädchen hatte nicht hinunter zum Essen kommen wollen. Sie zog es vor, auf ihrem Zimmer zu bleiben und zu beten.
    »Es ist nun mal so«, sagte Signora Flora, »dass Ambra diese Neigung hat. Und als sie dann den Deutschen vor sich hatte, der schön war wie eine Skulptur …«
    Zwei Tage lang war es ruhig. Dann kam die verhängnisvolle Nacht, in der erstmals amerikanische Liberators über die Stadt hinwegzogen.
    Sie kamen im Tiefflug vom Meer herüber, und allein der Krach brachte die Häuser zum Einsturz. Niemals zuvor hatte es einen solchen Höllenlärm gegeben. Sofort feuerten die Geschütze der Flugabwehr und der Schiffe im Hafen zurück. Vier oder fünf deutsche Flieger beschossen die amerikanische Formation. Die Mädchen und Signora Flora flüchteten in die Luftschutzräume.
    Alle, außer Ambra. Sie blieb in ihrem Zimmer und betete laut, während in der Pension die Wände wackelten. Nach einer Weile kam Ambra der Gedanke, dass der Herr ihre Gebete besser hören würde, wenn sie von der Terrasse aus zu ihm hinaufschrie. Sie stieg die Treppe hoch, öffnete die kleine Tür zur Terrasse und fand sich inmitten der Wassertanks wieder. Der Mond schien zwar nicht, aber Hunderte Sterne funkelten am Himmel, und Sternschnuppen mit Kometenschweifen waren zu sehen. In Wirklichkeit aber waren die Sterne nur explodierende Granaten, Geschosse und Leuchtraketen. Ambra kniete nieder und blickte zum Himmel. Plötzlich schien einen Augenblick lang alles zu leuchten, dann war es wieder dunkel. Und in diesem Augenblick sah sie ihn. Genauer gesagt, sie sah ihn vorbeiziehen: den Engel. Still und langsam schwebte er zur Erde herab, mit großen, schwingenden Flügeln. Der Liberator des amerikanischen Funkers Angelo Colamonaci, Enkel italienischer Auswanderer, der kein Wort Italienisch verstand, war getroffen worden. Die Uniform des Piloten hatte Feuer gefangen. Es war ihm gelungen, sie abzustreifen, sich aus dem Flugzeug zu stürzen und den Fallschirm zu öffnen. Und jetzt segelte er langsam hinab, kein Lüftchen wehte, und er hoffte, dass man ihn nicht sehen und zur Zielscheibe machen würde.
    Ambra riss die Augen weit auf. Zitternd wartete sie, die göttliche Erscheinung ein weiteres Mal zu schauen. Und tatsächlich, da war er wieder, der nackte Engel, im Lichtkegel eines Scheinwerfers. Kurz darauf hörte Ambra ein Rauschen, und der Engel landete auf der Terrasse, machte einen Purzelbaum, stand auf, befreite sich eilig von den großen Flügeln und rollte sie auf. Da hielt er inne: Er hatte die kniende Gestalt bemerkt, die sich jetzt erhob und auf ihn zukam. Eine Frau.
    »Du bist ein Engel, un angelo, richtig?«, fragte sie.
    »Yes«, sagte Angelo, der unter Schock stand und sich deshalb gar nicht darüber wunderte, dass die Frau seinen Namen kannte.
    Da nahm die Frau seine Hand und bedeckte sie mit Küssen. Als Angelo in der Dunkelheit ihr Gesicht berührte, merkte er, dass es nass war von Tränen.
    Er bedeutete ihr aufzustehen und sah sich nach einem Versteck für seinen Fallschirm um.
    Er möchte seine Flügel verstecken, weil er sich nicht als Engel zu erkennen geben will, dachte Ambra, glücklich, dass sie ein Geheimnis mit ihm teilen durfte. Sie zeigte auf einen der Wassertanks, der leer stand, seit er von einem Bombensplitter getroffen worden war. Angelo fand, dass der Wassertank auch ihm selbst als Versteck dienen könne. Alles war jetzt still, die Flugzeuge waren abgezogen, und die Flugabwehr hatte das Feuer eingestellt. Plötzlich hörte Ambra Signora Flora rufen:
    »Ambra, bist du auf

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