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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Weidner
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Stattdessen schießt sich das Team nach kurzem Disput – wie bei einem Nichtangriffspakt – zügig auf den Sündenbock ein. Fair ist das nicht. Selbst wenn alle wissen, dass dieser nicht wirklich schuld ist, steht wenigstens die Frage im Raum, warum der Sündenbock das Elend nicht verhindert hat. Eine böse Falle für den Stigmatisierten!
     
    Der Mitarbeiter (und Sündenbock) Lehmann versucht solchen Unterstellungen im Meeting Paroli zu bieten: »Was sollen diese Vorwürfe gegen mich? Das ist gar nicht mein Aufgabenbereich. Und im Übrigen: Der ganze hier kritisierte Ärger lief während meines Urlaubs. Da war ich in Portugal. Da war ich gar nicht hier! Das lass ich mir nicht wieder anhängen!« Das Team zeigt sich aber wenig beeindruckt von diesen Einlassungen. Wie im Chor schallt es zurück: »Das ist es eben, Lehmann. Immer wenn es hier um etwas geht, wenn Verantwortung zu übernehmen ist, wo sind Sie dann? Im Urlaub!«
     
    Sündenböcken missfällt naturgemäß diese Rolle, aber sie haben wenig Chancen, ihr zu entkommen, denn alle im Team |139| sind froh, dass es einen anderen erwischt hat. Die Bemühungen zur Gegenwehr des Sündenbocks bleiben meist nicht nur erfolglos, sondern werden als Beleg für die Unsouveränität und Überforderung des Stigmatisierten interpretiert. Wenn das Team behauptet, man sei ein Loser, dann ist es sehr schwer, dagegen anzuarbeiten. Die Soziologie spricht in diesem Fall von »Zuschreibungsprozessen«. Die Zuschreibung des Sündenbockstatus grenzt an Mobbing beziehungsweise Bossing. Einer der weit verbreiteten Fehler im Umgang mit Sündenböcken liegt in der Tatsache, dass dieses hässliche Interaktionsspiel übertrieben wird, und das ist nicht zu empfehlen! Denn wenn Sündenböcke überstrapaziert werden, kündigen sie und verlassen die Gruppe. Dies hat zur bitteren Folge, dass die Rolle neu zu besetzen ist – aber mit wem? Das ist sehr schwer zu kalkulieren, und wenn es schlecht läuft, trifft es Sie selbst.
    Um zu verhindern, dass Sie den Sündenbock-Zuschlag bekommen, hilft nur eines: Pflegen Sie Ihren Sündenbock. Schenken Sie ihm hin und wieder einen guten Rotwein, ein Ticket für das Golfturnier, eine Karte für die Oper oder eine Schachtel »merci«. Bauen Sie ihn auf. Seien Sie gut im Bösen. Ihr Sündenbock wird dankbar sein und Ihnen treu ergeben bleiben.

So nutzen Sie den Diamanten
    Nachdem Sie nun die verschiedenen Rollen des Diamanten kennen gelernt haben, geht es darum, Ihr Wissen in die Praxis zu überführen.
    |140| Fünf zentrale Fragen sollten Sie stellen:
Welche Rolle nehmen Sie selbst im Diamantengefüge ein?
Welche Rollen nehmen Ihre wichtigsten Kollegen und Mitarbeiterinnen ein, mit denen Sie dauerhaft und eng zusammenarbeiten?
Wer von denen gibt Ihnen Rückendeckung, auch bei Fehlern?
Wer verhält sich Ihnen gegenüber neutral und ist damit unzuverlässig in Krisensituationen?
Wer arbeitet gegen Sie und gehört damit zu Ihren Gegnern?
    Beobachten Sie in Meetings und im Alltagsgeschehen den offenen und den verdeckten Umgang miteinander. Wer ist der heimliche Meinungsführer in Ihrer Firma, in Ihrer Abteilung oder im Team? Wer steht isoliert? Ziehen Sie zur Orientierung die obige Abbildung des Diamanten heran und versehen Sie die einzelnen Positionen mit Menschen aus Ihrer Abteilung.
    Dabei werden Sie feststellen, dass sich manche Personen nicht hundertprozentig zuordnen lassen. Je nach Situation variiert ihr Verhalten. Wie man damit umgehen kann, zeigt folgendes Beispiel:
     
    Dr. Schellenberg – so die Analyse seines Chefs – ist zu 70 Prozent ein Leutnant und zu 30 Prozent ein Mitläufer. Außerdem bekennt Dr. Schellenberg – aus Sicht des Chefs – »mir gegenüber nicht Farbe, wenn es um schwierige Fragen geht. Der rettet meinen Arsch nicht, wenn es hart auf hart kommt. Der taucht elegant ab.« Diese Analyse reicht unserem Chef, um Schellenberg nicht weiter zu fördern. Er erwägt sogar, ihn auf die Abschussliste zu setzen, denn Schellenberg fehlt es offensichtlich an Loyalität. Unser Chef nimmt vom Abschuss aber schließlich Abstand, weil Schellenberg qualitativ hochwertige Arbeit leistet. Aber Strafe muss sein. Daher gibt der Chef dem Schellenberg eine Aufgabe, die er nicht bewältigen kann. Dieses Scheitern wird dann im Leitungsmeeting
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breitgetreten, sodass Schellenbergs Ruf leidet und der gute Doktor erst einmal kleinere Brötchen backen muss. Dieses Machtspiel nennt man übrigens »Statusreduzierung«! Und es macht deutlich: die

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