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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Weidner
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und Standfestigkeit aus in einer verwirrenden, sich immer schneller verändernden Welt. Die
Condottiere
haben einen bestechenden Wettbewerbsvorteil: Bei gleicher Qualifikation werden die lächelnden Sieger |131| bevorzugt, denn man arbeitet lieber mit ihnen zusammen als mit mürrischen Pessimisten. Den überlegenen Siegern ist ihr positives Denken ins Gesicht geschrieben. Stille Anführer herrschen sogar nur durch Blickkontakt und Gesten.
     
    Ein Beispiel aus der Werbebranche: Hier sind alle bevorzugt schwarz gekleidet und selbst frischgebackene Hochschulabsolventen heißen schon Art-Director. Hierarchieverwischend sitzen die Werber an ovalen Tischen. Statusunterschiede sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Aber alle, die reden, blinzeln für Sekundenbruchteile nach halblinks, denn da sitzt
er
, eingerahmt von seinen statushohen Creative-Directors. Der stille, aber überlegene Anführer signalisiert Wohlwollen oder Desinteresse, an dem sich die Höflinge zu orientieren haben – zumindest, wenn sie weiterkommen wollen.
    Der Hierarchie ist nicht zu entkommen, auch wenn sie noch so subtil verschleiert wird.
    Die
graue Eminenz
ist als Macht im Hintergrund. Die klassische Besetzung ist der Senior-Chef, der nur noch sporadisch vor Ort ist, aber dessen Gedanken und Handeln Unternehmenskultur und -alltag prägen. Die Führungskraft, die es schafft, sich auf diesen alten Patriarchen zu berufen und die damit den Eindruck erwecken kann, in seinem Sinne zu agieren, gilt als fast unangreifbar.
     
    Eine angehende Justizführungskraft plant die Einführung eines neuen Therapieprogramms für Schwerkriminelle. Der zuständige leitende Regierungsdirektor lehnt die Idee ab. Mehrfaches Nachhaken nutzt nichts. Die Enttäuschung des Newcomers sitzt tief. Wochen später lernt er auf einer Party einen älteren, graumelierten Herren kennen. Die beiden verstehen
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sich, die Chemie stimmt und der Ältere bietet das Du an. Heiner heiße er. Gegen Mitternacht stellt sich heraus, dass der Graumelierte ebenfalls für die Justiz arbeitet: als Staatssekretär! Unser Newcomer nutzt die Gelegenheit, stellt sein abgelehntes Therapieprogramm kurz vor und erfährt Zustimmung. So gestärkt lässt er sich auf die Tagesordnung der nächsten Leitungskonferenz setzen. Er stellt dort erneut – zum Missfallen seines leitenden Regierungsdirektors – sein Programm vor und ergänzt dies mit dem kleinen, aber feinen Zusatz:
    »Ich habe das Heiner am Wochenende vorgestellt. Der fand die Idee gut.«
    »Welcher Heiner?«, fragt der Direktor.
    »Heiner Hellmann.«
    »Unser Staatssekretär?« Der Direktor hat sofort seine lässige Sitzhaltung verloren und steht innerlich »stramm«, zumal Hellmann als graue Eminenz der Justiz gilt.
    »Ja.«
    »Woher kennen Sie den denn?«
    »Ach«, so unser Newcomer bescheiden, »das ist nur so ein privater Kontakt.«
    Der Direktor checkt den Kontakt gegen, setzt danach eine Arbeitsgruppe ein und fördert das Therapieprogramm. Unser Newcomer ist nicht nur glücklich, sondern er erzählt rund siebzig Mal von seiner Begegnung mit Heiner – den er übrigens privat nie wieder treffen wird. Aber das ist egal, denn es hat sich in seinem beruflichen Umfeld der Eindruck festgesetzt, der Newcomer habe einen guten Draht nach oben ins Ministerium!
    Sollte Ihre graue Eminenz noch leben, versuchen Sie, sich in Entscheidungsfragen mit ihr abzustimmen. Erfahren Sie Unterstützung von der grauen Eminenz, werden Sie die Reaktion Ihres Umfeldes genießen können.
    |133| Die
Leutnants
sind die rechte Hand, der starke Arm des Anführers. Reden sie, unterstützen sie die Sicht der Chefs. Sie verfügen über weniger Privilegien, spekulieren aber auf die Nachfolge, sollte der Anführer aussteigen, pensioniert werden oder stürzen. Leutnants sind – solange ihr Anführer fest im Sattel sitzt – führungsloyal und vermeiden kritisches Feedback. Das Ansprechen von bitteren Wahrheiten fördert aus ihrer Sicht nicht die Karriere, sondern allenfalls lautstarke Dementis. Stattdessen verblüffen sie durch Tempo und Schlagfertigkeit. Das signalisiert Souveränität. Leutnants gelten in ihrem Loyalitätsverständnis als die »Verteidiger irrationaler Hypothesen«. Dazu ein Beispiel:
     
    Die Konferenz läuft seit 9.00 Uhr. Draußen strahlt die Mai-Sonne. Plötzlich merkt der Leiter an, dass er am Nachmittag schwere Graupelschauer erwarte. Die Konferenzteilnehmer wirken irritiert. Nichts deutet darauf hin. Nur der Leutnant blickt nachdenklich aus

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