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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Weidner
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selbst bei unpassender Gelegenheit in großer Runde die »guten Ideen« des Dyadenpartners hervorzuheben. Das wirkt peinlich, ist aber |136| nicht schlimm, da niemand anderes von ihnen erwartet. Im Übrigen interessieren die Eingaben der Dyade die statushohen Zeitgenossen nicht.
    Laufjungen und Sündenböcke:
das Gegenteil von Durchsetzungsstärke
    Laufjungen
(oder
-mädchen
) gelten im Team oder der Arbeitsgruppe als durchsetzungsschwach und statusniedrig. Man erkennt sie leicht: Sie übernehmen freiwillig und im vorauseilenden Gehorsam Dienstleistungen für die Oberen, signalisieren Harmlosigkeit und sind um das Wohl der anderen besorgt, nicht aber um ihr eigenes. Diese Mitarbeiter sprechen gerne von ihrer Selbstlosigkeit und hoffen auf Lob. Laufjungen erkennt man daran, dass sie hoch motiviert und freiwillig Betriebsausflüge, Firmenfeiern, Management-Seminare oder Adventure-Touren für das Team organisieren. Manchmal sorgen sie sogar in Meetings für Kaffee, Milch und Süßstoff und bringen – in der weiblichen Variante – Selbstgebackenes in der Vorweihnachtszeit mit. Das ist menschlich, sympathisch und nett. Es trägt zur angenehmen Atmosphäre bei – und ist aus machtstrategischer Rollenperspektive eine Katastrophe. Diese Art der Freundlichkeit gilt als Schwäche und Geste der Unterwürfigkeit in den Augen machtorientierter Menschen: »They take kindness for weakness«, wie es mein ehemaliger US-Boss auf den Punkt brachte. »Service- Tussis und Butler-Typen übertrage ich keine Verantwortung. Die werden nicht ausreichend ernst genommen«, so ein Konzernabteilungsleiter, der seine Worte gar nicht böse oder abschätzig meint.
    Diese Laufjungenrolle kann einem schneller verliehen werden, als einem lieb ist. Vor allem wenn man neu in ein Team |137| stößt, besteht die Gefahr, dass man einen derartigen Status verpasst bekommt. Ein Beispiel:
     
    Der Lebensmittelmanager nennt es seine »Führungsfrauenfalle«. Sitzt er mit einer neuen Frau aus dem Führungskräftenachwuchs in einem Meeting, stellt er die Neue zunächst den alten Hasen vor und lobt sie in höchsten Tönen. Nach wenigen Minuten zeigt er sich dann irritiert, weil Kaffee und Tee auf den Konferenztischen fehlen. Der Manager sagt der Neuen, dass dieses nicht der Stil des Hauses sei. Üblicherweise sei für einen guten Service gesorgt (im Vorfeld hat er übrigens selbst das Sekretariat angewiesen, die Tische leer zu lassen). Er lässt daraufhin unverfänglich seinen Blick über die Gruppe am Tisch schweifen und schaut der neuen Kollegin tief in die Augen. Fühlt diese sich angesprochen, steht auf und ordert Kaffee und Tee, hat sie das Spiel verloren: Just ist sie zum Laufmädchen wider Willen gekürt worden. Die Kollegen sehen diese Entwicklung mit Erleichterung: »Unsere Neue ist nett und wirklich hilfreich. Die ordnet sich gut ein und unter«, so ein Teilnehmer des Meetings. Das sind keine Worte, die von Durchsetzungsstarken als Kompliment empfunden werden! Unser Lebensmittelmanager klagt allerdings in letzter Zeit, dass dieses Spiel nicht mehr so recht funktioniere: Vor kurzem habe er eine Kandidatin gehabt, die ihren Blick während des Tests erst gar nicht erhoben habe. Die habe weiter in ihren Unterlagen geblättert und daher auch den auffordernden Blick des Managers nicht erwidert. Stattdessen habe sie laut und deutlich nur einen Satz gesagt, der aber klar signalisierte, dass dieses Spiel bei ihr nicht funktioniert: »Für mich bitte heute und in Zukunft ein Vittel-Wasser.« Daraufhin sei Herr Schumann aufgestanden und zum Konferenztelefon gegangen, um die Getränke zu ordern. Das verwunderte niemanden, denn aus der Perspektive der Konferenzteilnehmer gilt Schumann als Isolierter. Konsequenterweise erhielt er auch von niemandem Dank für seinen Service. Auch nicht von der Neuen, denn die hatte das Spiel durchschaut – und eine glänzende Karriere vor sich.
    |138| Auch banale Machtspiele können Realitäten zementieren!
    Der
Sündenbock
hat eine bedeutende und häufig unterschätzte Rolle in Arbeitsgruppen. Er signalisiert Klarheit. Wenn sich ein Team auf einen Sündenbock geeinigt hat, gibt es einen bestechenden Vorteil für die Gruppe – zum Nachteil des Sündenbocks: Die Schuldfrage ist von vornherein geklärt.
In dubio contra reo
, im Zweifelsfall werden die Fehler stets beim Sündenbock liegen. Für die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe ist dies von stabilisierender Bedeutung: Sie zerfleischt sich bei Unstimmigkeiten nicht gegenseitig.

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