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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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See zu sein.
    Lily lächelte Dave zu. Ihrer Stimme traute sie nicht. Er verstand und grinste sie an, erfreut, dass seine Überraschung sie so sehr rührte.
    Dave bedeutete Sami, das Ruder zu übernehmen. »Halten Sie das so fest und bleiben Sie auf Kurs. Ich will Don mit dem Großsegel helfen.« Er gab Sami keine Chance zu widersprechen, sondern ließ das Steuer los und ging, sodass sie – leicht panisch – danach greifen musste. Angespannt beobachtete sie, wie die Männer die Schoten anholten, um das Großsegel zu hissen. Don kam zurück, um das kleinere Segel hinter dem Steuer zu hissen, und dann übernahm er das Ruder wieder von einer sehr erleichterten Sami.
    »Danke. Hat es Ihnen Spaß gemacht, das Schiff zu führen?«
    »Schon, sobald die erste Panik vorbei war«, erwiderte sie. »Die Segel sehen ziemlich alt aus, sind das die Originale?«
    »Nein, aber sie sind alt. Dave hat dafür gesorgt, dass sie gut verstaut wurden, nachdem man den Logger ans Ufer des Creeks gezogen hatte. Die haben noch viele Jahre vor sich.«
    Dave setzte sich neben Lily auf den Lukendeckel und drehte sich eine Zigarette. »Können Sie sich dieses Deck mit Haufen von Perlmuscheln vorstellen, wenn Taucher und Signalmann da oben saßen? Ein paar Muschelreiniger hier, und der Kapitän. Sie blieben wochenlang auf See und lebten von Reis und eingelegtem Gemüse mit Sojasoße.« Er zog an seiner Zigarette. »Die alten Zeiten waren die besten.« Er sah Lily an und nickte in Richtung Sami. »Haben Sie ihr die alten Geschichten erzählt?«
    »Kaum. Man muss hier sein um zu begreifen, wie es gewesen sein mag«, wich Lily aus.
    Sami sah hinauf zu den geblähten Segeln und nahm alles in sich auf: das Knattern der Segel, das Geräusch des Schiffs, wenn es durch die Wellen schnitt, den Geruch nach altem Holzrumpf und frischer Farbe. Unter Deck war es dunkel, bedrückend eng und muffig. Sie blickte zurück zum Ufer und der Mündung des Creeks, der zur Star Two führte. Es war eine weite hufeisenförmige Wasserfläche, gesäumt von Sand und roten Felsen. Dahinter erhoben sich die Dünen, die mit Kletterpflanzen, Sträuchern, Grasbüscheln und hin und wieder einem verkrüppelten Baum gesprenkelt waren.
    »Es sieht alles so heiter aus, Don«, meinte Sami. »Man könnte denken, dass es vor hundert Jahren paradiesisch gewesen sein muss, hier zu segeln.«
    »Bis zur Monsunzeit.«
    Sami ließ Don in Ruhe steuern und gesellte sich zu Lily und Dave. Der hatte sich in einen Monolog gestürzt: Abenteuergeschichten, tragisch oder zum Schreien komisch, von Glück, Diebstahl, Liebe, vom Tod auf den Loggern, auf dem Meeresgrund, in den Perlenlagern am Ufer und den düsteren Winkeln von Chinatown zwischen Kneipen, Bordellen, Spielhöllen und Esslokalen. Dann sprach er über den allmählichen Wandel der Ausrüstungen und den verhängnisvollen Versuch der britischen Marine, die »farbigen Perlentaucher« durch »weiße Taucher« zu ersetzen. Er holte genüsslich Luft und drehte sich noch eine Zigarette. »Ach, kein Wunder, dass wir uns dieses Geschäft ausgesucht haben.«
    Seine Geschichten waren für Sami wie eine Offenbarung. Vor ihrem inneren Auge blitzten die Szenen auf, die der alte Perlenunternehmer heraufbeschwor. Sie warf einen Blick zu ihrer Mutter. Lily hatte Daves Erzählungen mit einem Lächeln auf den Lippen gelauscht und zustimmend genickt. In diesem Moment frischte der Wind auf, das Deck neigte sich stärker, und das Schiff nahm Fahrt auf.
    »Sami, nehmen Sie das Tau da, binden Sie es hier herum fest«, rief Don. »Ich will den Kurs ändern.«
    Lily sah zu, wie ihre geschmeidige, kräftige Tochter die Anweisungen der beiden Männer befolgte, als sie den Kurs änderten, um auf die andere Seite der Bucht zu lavieren. Sami machte nicht mehr viel Aufhebens um ihr Makeup – Sunblocker und Lipgloss waren alles, was sie auf der Farm auflegte. Zudem war sie braun gebrannt und trug das Haar offen, sodass es in schwungvollen Locken ihren Kopf umspielte. Lily hoffte, dass sie in diesem Moment so glücklich war, wie sie aussah.
    Sami arbeitete sich zum Bug der
Georgiana
vor und hielt ihr Gesicht in die Sonne, sodass sie Wind und Gischt abbekam. Die Wochen, in denen sie im Busch nichts als Staub oder später die feuchte Luft der Stadt eingeatmet hatte, waren wie weggeblasen. Sie fühlte sich so lebendig wie schon lange nicht mehr. Schließlich setzte sie sich wieder neben ihre Mutter, die ebenfalls entspannt und glücklich wirkte. »Das macht Spaß! Ich meine,

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