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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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war.
    Sie liebte ihre Mutter trotz gelegentlicher Reibereien, sie liebte Rakka und – nun ja, sie könnte eine lange Liste von Geliebten aufstellen. Doch ihre Liebe zu dieser Frau beinhaltete Mitleid, eine besondere Verbundenheit von Frau zu Frau, trotz der unterschiedlichen Herkunft. Wichtiger noch: Sie vermittelte ihr das neue Gefühl, dass sie etwas bewirken konnte. Sie war entschlossen, Leila zu helfen. Dies war eine Frau, der alles, was sie gekannt und geliebt hatte, grausam entrissen worden war. Es ging Sami dabei nicht um die internationalen Zusammenhänge. Der Rest der Welt war weit entfernt von der kleinen Oase, die dieser einen Frau Schutz bot. Doch Sami spürte, dass sie, indem sie jemandem in einer solchen Krise half, einen Beitrag leisten würde. Sie war stolz auf diesen Beitrag und fest entschlossen, Erfolg zu haben.
    Schließlich war das Auto beladen. Die anderen Frauen im Dorf machten kein großes Aufheben um Samis Abreise. Die meisten nahmen kaum Notiz davon. Sie winkten beiläufig und wandten sich dann wieder ihren Bildern und Knüpfarbeiten zu. Neben dem Auto sagte Sami zu Leila: »Meine Mutter hat mir erklärt, dass es bei den Aborigines nicht üblich ist, sich zu verabschieden. Das heißt nicht, dass sie unhöflich wären, es ist einfach nicht Sitte bei ihnen. Sie gehen lieber davon aus, dass man wiederkommt und sie einen dann begrüßen.«
    »Ich verstehe. Aber für mich ist es wichtig, mich von dir zu verabschieden, Sami.«
    »Vorläufig.«
    Leila deutete auf die Rückbank in Samis Wagen. »Ich möchte, dass du meine Tasche nimmst.«
    Sami wirbelte herum und entdeckte zu ihrer Bestürzung die kostbare
Tschowal
-Tasche ordentlich zusammengerollt auf dem Sitz. »O nein. Das kann ich nicht annehmen!«
    Leila lächelte und berührte Sami am Arm. Sie sagte sehr ruhig und bestimmt: »Du kennst die Geschichten dieser Tasche. Du weißt, dass meine Schwestern, meine Mutter und ich sie gemeinsam angefertigt haben. Dass mein Bruder die Wolle dafür besorgte. Sie hat die Frauen hier inspiriert. Sie führt jetzt ein Eigenleben und muss von mir fort.« Ein schmerzlicher Ausdruck zuckte über Leilas Gesicht. »Ich habe sonst niemanden, an den ich sie weitergeben kann.«
    Sami umarmte sie erneut und kämpfte gegen die Tränen an. »Leila, ich werde sie für dich aufbewahren. Vielleicht wäre es eine gute Idee, sie in Rosies Galerie aufzuhängen – um zu zeigen, was die Frauen zu ihren Knüpfarbeiten inspiriert hat.«
    »Wenn du magst. Wenn es den Frauen hier hilft. Aber sie gehört jetzt dir, Sami. Du weißt, wir nennen diese Taschen
Tschowal.
Wir tragen darin unsere Besitztümer von unserem Elternhaus zu unserer Hochzeit, um ein neues Leben zu beginnen. Ich hoffe, eines Tages trägst du darin deine ganz persönlichen Besitztümer in eine glückliche Ehe und ein neues Leben.«
    Sami war überwältigt. »Darüber reden wir ein andermal, Leila.« Sie stieg ins Auto.
    Durch das offene Autofenster berührte Leila noch einmal sanft die Tasche, die Sami nun so teuer war wie die edelsten Teppiche in den großen Sammlungen der Welt. Sie wusste, welche Hingabe darin steckte, welch schreckliche Reise sie mitgemacht hatte, und sie kannte die kunstvolle Signatur aus Sonne und zunehmendem Mond, die auf die Einfassung gestickt war und für Leilas Familie stand. »Leila, ich kann nicht …«
    »Bitte. Du bist meine Freundin. Alle hier haben mir so viel gegeben … du musst sie nehmen.«
    Sami zögerte, ein Anflug von Verstehen durchfuhr sie. Wer hatte noch gleich gesagt, dass man manchmal etwas von sich selbst weggeben musste, um etwas zu empfangen? Indem man von etwas ließ, das einem teuer war, wurde man frei und doppelt bereichert. »Danke, Leila. Du weißt, ich werde sie in Ehren halten, aber sie ist nur eine Leihgabe. Wenn du dein eigenes Haus hast, bekommt sie darin den Ehrenplatz.«
    »Im Haus der Sonne gibt es keine Schatten.« Sie küsste Sami rasch.
»Tamam schod.«
    »Ich habe dich lieb, Leila.«
    »Vergiss die Liebe nicht, Sami, wohin du auch gehst … Es gibt zu viel Hass. Und Habgier. Denk an das, was Saint-Exupéry geschrieben hat – dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt.«
    Sie hob zum Abschied die Hand, und nach dieser schlichten Geste drehte sie sich um und ging auf den Sonnenschutz zu.
    Sami begann zu weinen. Sie konnte nicht klar sehen, als sie sich auf die lange, staubige Fahrt an die Küste machte. Die Sonne stand

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