Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
in dem fünf Strichmännchen saßen und Gegenstände hielten, die wie Paddel aussahen. »Das ist ja erstaunlich … sind das Leute hier aus der Gegend? Wir sind doch weit weg vom Meer«, rief sie.
    »Das Interessante daran ist, dass die Felsmalereien nur selten Alltagsereignisse festhalten, eher die heiligen Dinge«, entwickelte Palmer seine Theorie. »Die Reisenden müssen also einen tiefen Eindruck hinterlassen haben.«
    »Wir wissen, dass es an der Küste einen präeuropäischen Kontakt mit Südostasien gab – Trepanghändler aus Makassar und dergleichen. Aber das hier ist viel älter. Darüber wird heiß debattiert«, meinte Bridget.
    »An anderen Stätten kommt eine hundeähnliche Gestalt vor, aber mit Streifen, wie ein Beutelwolf. Das war, ehe die Dingos in der Aborigine-Kunst auftauchten.«
    »Der Tasmanische Tiger?«, fragte Sami nach.
    »Ja. Und da sind Gestalten mit großen, grinsenden, herzförmigen Gesichtern. Sehr merkwürdig«, meinte Palmer.
    Bridget nickte zustimmend. »Das macht diese Arbeit so faszinierend.«
    »Das können wir vielleicht nach dem Abendessen besprechen«, regte Palmer an. »Die uralte Geschichte der Aborigines im Kontext der weißen Anthropologie zu erklären und um Anerkennung dafür zu werben, das ist eine echte Herausforderung.«
    »Und nicht nur das alte Zeug«, fügte Bridget hinzu und steckte ihr Notizbuch und ihren Stift ein. »Die jüngste Geschichte bietet sogar noch mehr Herausforderungen. Na dann. Lasst uns weiterziehen zur nächsten Stätte.«
    Goonamulli fing Samis Blick auf. »Du kommen und sehen Land der Geister. Lernst mehr.«
    Nach mehreren Stunden in der Höhle zogen sie weiter. Diesmal ging Sami vorn neben Goonamulli. Sie gewöhnte sich allmählich an seinen Akzent und sein gebrochenes Englisch und hörte aufmerksam zu, wenn er auf Orientierungspunkte und scheinbar unwichtige Dinge der Umgebung hinwies, die jedoch von Bedeutung waren. Unter seiner Anleitung zogen die physischen Details der Landschaft ihren Blick ganz anders auf sich als zuvor. Es war, als müsse sie ins Innere der Dinge schauen, um ihre Bedeutung lesen und erkennen zu können.
    Auf einem großen, flachen Felsen oberhalb der Schlucht nahmen sie ihr Mittagessen ein: Buschbrot, gepökeltes Rindfleisch und die letzten der überreifen Tomaten vom Frühstück. Im Laufe der Zeit hatte der Wasserfall, der während der Regenzeit in den Fluss tief unter ihnen stürzte, abgerundete Kanäle in der Felswand ausgehöhlt. Das ausgetrocknete Flussbett und das Felssims neben dem Wasserfall verkörperten eine Respekt einflößende Zeitlosigkeit. Die Vorstellung, das ungeheure Alter dieses Schauplatzes berechnen zu wollen, wurde plötzlich absurd. Es reichte, wenn man sich bewusst machte, dass dies alles etwas ganz Besonderes an sich hatte. Dass es immer so gewesen war und – hoffentlich – auch immer so sein würde.
    »Wann hast du zum ersten Mal das Meer gesehen«, fragte Sami Goonamulli.
    »Ach, kleiner Junge erstes Mal. Richtung Broome. Hinter Missionsstationen an der Küste. Großes Meer.« Er grinste und deutete dann auf die ferne Bergkette. »Das alles: Teil von großem Meer. Gondwana-Meer. Wie großes Riff, aus kleinen scharfen Steinen gemacht. Muscheln immer noch da, im Fels. Alles Land verändert in großer Flut. Viele alte, alte besondere Orte jetzt unter dem Meer.«
    »Flut – wie in der Bibel?«, fragte Sami Palmer.
    »Es gibt da eine Menge Analogien zur christlichen Religion, wenn man bereit ist, sie zu akzeptieren.« Er aß sein Buschbrot auf.
    Bridget nahm den Faden auf. »Es gibt Geschichten über die Menschen vor der Eiszeit, als alle Inseln und das Festland vereint waren. Die Sonne, die Sterne und der Mond lebten alle auf der Erde, bevor sie in den Weltraum gingen. Deshalb sind wir immer mit den Sternen verbunden, durch die Milchstraße, die wie eine Brücke ist.«
    »Es gibt viel zu lernen«, gestand Sami ein. Offensichtlich hielt in der Aborigine-Kultur alles um sie herum – Dinge, die sie für selbstverständlich gehalten, an die sie keinen Gedanken verschwendet hatte – eine Geschichte oder eine Lektion bereit. Das war faszinierend, besonders, wenn man es selbst erlebte, statt nur darüber zu lesen oder eine Vorlesung zu hören. Sie sah zwar nicht, was dieses Bewusstsein mit ihrem Leben oder ihrer Forschung zu tun hatte, aber die Expedition war dennoch ein Genuss.
    »Vieles ist verloren gegangen, etliches werden wir nie wissen«, meinte Bridget. »Das gilt nicht nur für Wissen

Weitere Kostenlose Bücher