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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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hier auf Mutter Erde. Sie kennt viele Geheimnisse.« Er tippte sich an die Schläfe, um anzudeuten, dass auch er die Geheimnisse kenne.
    Sami deutete zum Himmel. »Und wer ist dann die Sonne da oben?«
    »Das Tochter Sonne. Heute Abend erzählen wir dir mehr Geschichten«, entgegnete Goonamulli.
    »Abends am Lagerfeuer, nach dem Essen, ist die Zeit der Geschichten«, meinte Palmer leichthin. »Und jetzt sollten wir was tun für unser Geld und ein paar Fotos machen und Proben nehmen.«
    Bridget wühlte in ihrer Tasche nach Fotoapparat und Stativ. Dann reichte sie Palmer und Sami einige kleine Gläser mit unbeschriebenen Etiketten. »Wir nehmen Proben vom Boden, von den Wänden und den Farben. Die wissenschaftliche Hightecharbeit spielt sich dann unten im Süden ab, hier brauchen wir nur einen Löffel und ein Taschenmesser.«
    Die drei arbeiteten schweigend, während Goonamulli mit untergeschlagenen Beinen am Höhleneingang saß und hinausblickte auf die ferne Landschaft. Sami hielt die Gläser, während Bridget und Ted Palmer sorgfältig Proben abkratzten oder ausgruben, vermaßen, sich Notizen machten und Fotos schossen. Ihre Gedanken schweiften ab, sie kam nicht dagegen an: Wie mochte es wohl zu der Zeit gewesen sein, als diese Gravierungen entstanden waren? Das Gravieren der Sonnen musste eine quälend langsame Arbeit für die Menschen gewesen sein, die vor Tausenden von Jahren ihr Leben nach ihren Ritualen und Bräuchen ausgerichtet hatten. In dieser stillen Galerie war von ihrer Zivilisation nicht mehr geblieben als kleine Felsritzereien, deren Bedeutung den Wissenschaftlern ein Rätsel war. Für Goonamulli waren sie Teil des Träumens, ein Teil von ihm.
     
    Als Sami an diesem Abend in ihrem Schlafsack lag, blickte sie zur Milchstraße empor. Sie wirkte sehr nahe, da der Himmel vollständig klar war. Ein ferner Satellit bewegte sich als winziges Pünktchen über den Himmel, Sternschnuppen blitzten auf, die Sternbilder waren ganz deutlich zu erkennen. Es war ein Ehrfurcht gebietender Anblick. Hier verstand sie, wieso die Menschen von den Sternen fasziniert waren, von dem Gefühl, nur ein verschwindend kleiner Teil des Universums zu sein. Durch Goonamullis Geschichten über die Verbindung zwischen der Erde, den Sternen, den Planeten und der Sonne waren die Galaxien draußen im Weltraum näher gerückt. Zum ersten Mal fühlte Sami sich nicht als einsamer Punkt auf einem Planeten, sondern als Teil des Kosmos, der von Bedeutung war und Kontinuität besaß.
    Stück für Stück versuchte sie, dieses Weltbild zu verstehen, in dem alles eine Bedeutung hatte bis hin zu dem Glauben, dass alles mit einem Ort in Verbindung stand, an den es gehörte. Sie war hier nicht zu Hause und hatte dennoch das eigentümliche Gefühl, es zu sein. Es war ein sonderbares, aber auch tröstliches Gefühl, und allein dafür hatte die Reise sich gelohnt. Sie war nun Teil dieser unglaublichen Erfahrung und hatte heute unfassbare Dinge gezeigt bekommen. Doch sie war zugleich froh, dass Palmer da war. Er stammte aus ihrer Welt.
     
    Am nächsten Morgen bauten sie das Lager ab und machten sich wieder auf den Weg. Palmer trat im wörtlichen Sinn in den Hintergrund. Er und Goonamulli wurden nämlich in den hinteren Teil des Geländewagens verbannt, wo sie zwischen den Ausrüstungsgegenständen hin- und hergeworfen wurden, während Bridget fuhr und über den Motorenlärm hinwegbrüllte. »Was hältst du von dem, was du gestern gesehen hast?«
    »Hier draußen gibt es jede Menge Kunst. Und sie scheint in den Alltag integriert zu sein. Diese Expedition ist hundertmal besser als ein Hörsaal.« Sami dachte kurz nach. »Es ist anders, als wenn man in ein Kunstmuseum geht und das alte Zeug an den Wänden hängen sieht. Es tritt einem hier direkt gegenüber. Ich hatte wirklich das Gefühl, da waren Geister – die alten Künstler –, was auch immer, die nach mir griffen.«
    »Und was haben sie dir gesagt?«
    »Ich weiß nicht genau.« Sami spielte an den Knöpfen ihres Hemdes. »Wirklich. Das ist meine erste Erfahrung mit alldem. Ich versuche noch, mir einen Reim darauf zu machen.«
    »Schön. Es wird sich bei dir festsetzen, und du wirst die einzelnen Stückchen finden, die du kennen musst.«
    »Goonamulli sagt immerzu, ich muss mehr über mein Land lernen. Wie meint er das?«
    Bridget antwortete nicht gleich, weil sie sich auf das Fahren auf dem unebenen Pfad konzentrierte. Schließlich sprach sie, aber so leise, dass Sami sie nur schwer verstehen

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