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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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oder überlieferte Geschichten. Auch Gegenstände sind verloren gegangen. Wir haben Funde gemacht, die ganzen Kunstmuseen entsprechen – und sie wieder verloren.«
    Palmer wechselte ein paar leise Worte mit dem Aborigine-Ältesten, dann wandte er sich an Sami. »Ich denke, die nächste Fundstätte wird Sie faszinieren. Dort arbeiten wir. Wir haben allerdings noch ein gutes Stück zu wandern.« Er schenkte ihr ein herzliches Lächeln. »Sie halten sich sehr gut.«
    Sie verließen die Schlucht und kamen auf offenes Gelände, wo sich kleine Palmen und einzelne Felsblöcke über das hohe Gras erhoben. Stellen, an denen Spinifex mit seinen scharfen Halmen wuchs, umgingen sie. Dann erreichten sie einen schmalen Spalt im Boden, der immer breiter und tiefer wurde, bis er eine sehr enge Schlucht bildete. Der Pfad führte darum herum und endete an einem Steinhaufen. Goonamulli zeigte ihnen die Öffnung, die sich dort befand: gerade groß genug, um hineinzukrabbeln.
    »Da wollen wir rein?«, rief Sami. »Ist das denn sicher?«
    »Ziemlich sicher«, beruhigte sie Palmer. »Man kommt in eine Höhle, die mitten durch diesen Hügel da vor uns geht. Auf der anderen Seite gibt es reichlich Tageslicht. Aber im Tunnel ist es ein bisschen dunkel, und wir müssen kriechen.«
    Goonamulli kroch voran, dann folgte Palmer mit einer Taschenlampe. Danach kamen Sami und hinter ihr Bridget, ebenfalls mit einer Taschenlampe. Sami krabbelte auf allen vieren im flackernden Taschenlampenlicht und verlor rasch jedes Gespür für den Raum – dafür, wo oben und unten war. Es roch erdig, und sie geriet außer Atem, begann zu keuchen. So muss sich Klaustrophobie anfühlen, dachte sie und versuchte, ein aufkommendes Panikgefühl zu beherrschen.
    Palmer schien ihre Angst zu spüren. »Fast da, Sami. Vor uns sind Luft und Licht. Zählen Sie einfach jedes Mal laut mit, wenn sie eine Hand vorsetzen. Folgen Sie mir, wir sind gleich da.« Seine Stimme klang heiter und verlässlich, das beruhigte sie. Fünf Minuten später kamen sie in einer hellen, luftigen Höhle an, und Palmer half ihr auf die Füße. »Es ist die Mühe wert. Sehen Sie sich um.«
    Sonnenlicht strömte durch einen schmalen bogenförmigen Spalt herein, der sich quer über die Decke zog, und beleuchtete die Höhle. An einer Seite befand sich eine riesige Felssäule, und als Sami um sie herumging, entfuhr ihr ein Keuchen. Der Höhleneingang rahmte den strahlend blauen Himmel wie ein gewaltiges Bild ein. Niemand sprach – als erfordere die Situation Schweigen. Seite an Seite gingen alle auf diesen steinernen Bogen zu. Dabei veränderte sich die Aussicht: Der Himmel wich einem atemberaubenden Panoramablick auf Tal und Flussbett, das momentan nur aus einer Reihe tiefer Wasserlöcher bestand. Am Höhleneingang blieben sie stehen. Ein Schritt weiter, und sie würden abstürzen.
    »Mein Gott!«, entfuhr es Sami.
    »Hübsche Aussicht, was?«, meinte Palmer beiläufig. »Von da unten würden Sie den Eingang niemals entdecken. Das ist ein fantastisches Versteck, wenn man nicht gefangen werden will. Ich frage mich, wie es wäre, hier Dudelsack zu spielen!«
    Bridget stieß ihn in die Rippen. »Du bist unverbesserlich, Mann. Wirklich. Komm, Sami, guck dir an, woran wir arbeiten.« Sie gingen zurück in die Höhle und kletterten über Felsen zu einer der zahlreichen Wände mit Kunstwerken. Vielleicht war es Sami nicht sofort aufgefallen, weil sie Malereien erwartet hatte: Die Wände waren mit Felsgravierungen bedeckt. Es handelte sich überwiegend um geometrische Muster. Als sie genauer hinsah, fiel ihr auf, dass alle Muster Variationen eines Sonnenmotivs darstellten.
    »Wir nennen sie die Sonnenhöhle«, sagte Bridget, als hätte sie Samis Gedanken gelesen.
    Sami nickte und beugte sich vor, um mit der Hand über die tiefen Linien der Gravierung zu fahren. Sie meinte, ein schwaches Prickeln in den Fingern zu verspüren, als sie die uralte Arbeit sacht berührte. »Wie alt sind die?«, fragte sie leise.
    Palmer antwortete in professoralem Tonfall: »Im Grunde gehören sie zu den ältesten Beispielen prähistorischer Kunst weltweit. Altsteinzeit.«
    »Das ist eines der Ziele unserer Untersuchung: das geologische Alter zu ermitteln und hoffentlich ein ganzes Bündel anthropologischer Fragen zu beantworten«, fügte Bridget hinzu. »Die ältesten Felsen in der Kimberley-Region sind fast zwei Milliarden Jahre alt.«
    Goonamulli berührte eines der in den Fels geritzten Sonnensymbole. »Mutter Sonne bleibt

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