Die Perlenzüchterin
sich das hier leichter ertragen als alles, was einem in einem Stadtbüro unterkommt.«
»Das muss viel Arbeit gewesen sein – bis dieser Traum Wirklichkeit geworden war.«
»Man muss zäh sein und darf niemals den Humor verlieren, sonst kommt man als Perlenunternehmer nicht weit«, meinte er lachend. »Es ist ein Familienbetrieb, und unsere Mitarbeiter sehen wir gern als Teil dieser Familie. Wir haben uns schon eigene Aussie- und Kiwi-Operateure herangebildet, als überall noch japanische Spezialisten am Werk waren. Das Einsetzen der Kerne war ein ganz großes Geheimnis, etwas, das nur im Verborgenen erledigt wurde.« Damien und Lily verließen das Büro.
»Es liegt an den großen Austern hier oben, dass Perlen aus Broome so einzigartig sind, oder?«
»Ja, die Pinctada maxima. Aber entscheidend ist die Umgebung hier, das klare Wasser. Das da.« Er deutete auf die glitzernde Bucht.
Damien führte Lily zu einem Gästezimmer, das dem Büro angegliedert war. »Und jetzt zurück in die reale Welt. Sie wollen sich bestimmt erst einmal einrichten. Und ich werde mal Präsenz bei der Truppe zeigen.«
Lily verschob das Auspacken, um die Aussicht noch etwas zu genießen. Über allem lag ein Zauber, dem man sich nicht entziehen konnte. Die Delphine setzten ihre Vorführung nun ein Stückchen weiter draußen fort, und am Himmel kreisten träge die Seevögel. Unten in der Nähe der großen Bootsrampe gesellte Damien sich zu einigen Arbeitern. Die Männer und Frauen beluden gerade lachend und witzelnd eine Barkasse mit Drahtgestellen, in denen sich Muscheln mit frisch eingesetztem Kern befanden. Damien war zusammen mit seinem Vater Ron Eigentümer der Farm, und gemeinsam deckten sie fast alle anfallenden Bereiche des Geschäfts ab.
Eine der Frauen, die mit den Tauchern auf den Booten arbeiteten, bot an, Lily herumzuführen. Sie zeigte ihr den Kühlschrank im Speisesaal, in dem Früchte, Joghurt und kalte Getränke lagerten. »Greifen Sie einfach zu«, meinte sie heiter. »Das ist hier draußen so üblich.« Als sie zu einem Rundgang durch die ausgedehnten Anlagen aufbrachen, fragte sich Lily, was Tyndall und Olivia von diesem hoch entwickelten Betrieb gehalten hätten. Auch diesem Unternehmen lag eines zugrunde: die atemlose Freude, wenn eine exquisite, makellose Perle aus dem feuchten Gewebe dieser einzigartigen Austern glitt.
Als die Barkasse beladen war, rief Damien Lily. Sie durfte ihn auf einer Fahrt hinaus in die Bucht begleiten. Dort würde man die Drahtgestelle mit den Austern an lange Leinen hängen, die zwischen Bojen gespannt waren. Unterwegs erhielt Lily einen raschen, aber detaillierten Bericht über den Farmalltag. Sie lernte aus erster Hand, wie viel geduldige, spezialisierte Arbeit sich hinter dem Hochglanzmarketing der Branche verbarg. Die Mitarbeiter nahmen eine Schlüsselstellung ein: Sie mussten miteinander auskommen, und jeder musste das Gefühl haben, Teil eines Ganzen zu sein. Dennoch war die Fluktuation unter den jungen Arbeitskräften hoch. Es war harte körperliche Arbeit, und die Arbeitstage waren lang. Für einige war es Saisonarbeit, zudem in isolierter Lage, auch wenn die meisten alle zwei, drei Wochen einige Tage frei hatten, in denen sie nach Broome zurückkehrten und »die Sau rausließen«.
Für Lily war es eine ganz neue Welt. Bisher hatte sie nur gewusst, wie die Perlenfischerei früher gehandhabt wurde. Und sie war über die gesellschaftlichen Aspekte der aktuellen Perlenszene bestens im Bilde. Doch dies hier war ganz anders, und Lily fand es faszinierend und anregend. Das sagte sie auch Damien. Der lachte und erinnerte sie daran, dass in ihren Adern schließlich Kapitän Tyndalls Blut floss!
Abends saß sie mit den jungen Mitarbeitern zusammen, die soeben aus ihrem einwöchigen Urlaub zurückgekehrt waren und nach dem Essen noch ein Bier tranken. Lily lauschte ihren unterhaltsamen, manchmal dramatischen Geschichten und dem gutmütigen, kameradschaftlichen Gefrotzel. Die meisten gingen früh schlafen, denn sie würden mit der ersten Schicht um fünf Uhr morgens hinausfahren, zum Frühstück um sieben Uhr zurückkommen und dann ihre anderen Aufgaben in Angriff nehmen.
Lily hatte einige Quartiere gesehen. Ihr war aufgefallen, dass überall Muscheln, Korallen, Treibholz, Gräser und Samen herumlagen – von den Mitarbeitern selbst gesammelt. Das Meer, die Landschaft, die ungezähmte Küste, die Unwägbarkeiten und die Gefahren eines Wetterwechsels verfehlten ihre Wirkung nicht. Manche
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