Die Perlenzüchterin
als sie beim Refrain angelangt waren, genossen sie ihren Auftritt, grinsten beim Singen und wiegten sich in den Hüften.
Am Ende des Liedes jubelten alle, während der stolze Großvater die widerstrebenden Jungen von der Bühne führte. Nach den Zugaben gab es einen kleinen Ansturm auf den rückwärtigen Teil des Biergartens, wo an einem Tisch die CDs verkauft wurden. Lily gab Sami Geld. »Bitte besorg mir auch eine. Ich habe das Gefühl, das ist ein gutes Omen – unser erster Abend zusammen in Broome.«
Gaye blieb bei Lily, während Pauline und Sami sich für die CDs anstellten, und Rosie ging an die Bar, um eine neue Runde Getränke zu holen.
»Bleibst du zur nächsten Gruppe?«, wollte Gaye wissen. »Das ist ziemlich wilde Reggae-Musik.«
»Ich trinke noch ein Glas, und dann mache ich mich auf den Weg, denke ich. Aber ich bin mir sicher, Sami wird noch bleiben wollen«, antwortete Lily.
»Dann fahre ich dich nach Hause, ich habe die Band gestern schon gesehen«, meinte Gaye. »Ich habe morgen früh eine Yogastunde.«
Lily küsste Rosie und Pauline zum Abschied und drückte Sami. »Bis nachher, Gaye fährt mich nach Hause.«
»Könntest du für mich nach Rakka sehen, Mami?«
»Natürlich. Sami hat ihre Hündin bei sich«, erklärte sie Gaye.
Rosie berührte Sami am Arm. »Wir kümmern uns um deinen Hund, solange du hier bist, wenn du willst. Wir würden das gern tun. Im alten Haus ist genug Platz. Sie kann auf der Veranda schlafen.«
Sami zögerte. Ihr fiel wieder ein, dass Blossom ihr bereitwillig ihre Hilfe angeboten hatte. Doch dann fand sie es einfacher, wenn die Hündin in der Familie bliebe. In der Familie … die volle Bedeutung dieses Gedankens lähmte ihr ein, zwei Sekunden die Zunge. Dann riss sie sich zusammen und nickte. »Das wäre großartig, Rosie. Vielen Dank. Sie ist gut erzogen. Tagsüber nehme ich sie, wenn ich irgend kann.«
»Bring sie morgen vorbei, wenn du mit deiner Mutter zum Mittagessen kommst. Dann kann ich sie der ganzen Familie vorstellen.«
Als die anderen gegangen waren, sah Sami Pauline bedrückt an. »Das haben sie ja prima hinbekommen. Ein dahingesagter Satz, und schon steht mir morgen das große Familientreffen bevor«, versuchte sie zu scherzen, doch sie war nervös. Ihr graute davor, der ganzen Sippe vorgeführt zu werden.
Pauline spürte, wie unruhig Sami war, entschied sich aber gegen jedes weitere Wort darüber. »Trinken wir noch was, wir gehen zu Fuß nach Hause.«
Während des nächsten Auftritts gab es kaum Gelegenheit zum Gespräch, und danach traf Pauline eine Gruppe von Freunden – Personal von der Kuri-Bay-Perlenfarm auf Urlaub –, in Feierstimmung. Um ein Uhr morgens gingen Pauline und Sami, allen Überredungsversuchen der anderen zum Trotz. Sami war müde. »Ich muss gestehen, ich bin ganz froh, den Dezibelwerten da drinnen zu entgehen, auch wenn die Musik toll war!«
»Richtig, du warst ja draußen im Never-never-Land. Der heutige Abend muss ein kleiner Kulturschock für dich gewesen sein«, sagte Pauline mitfühlend.
»Nicht so schlimm wie morgen.«
»Du hast Rosie doch schon kennen gelernt, die ist schwer in Ordnung. Was ist denn schon groß dabei? Deine Mutter hat mir eure Familiengeschichte erzählt, bist du darauf nicht stolz? Tyndall ist die reinste Legende. Ich wünschte, ich hätte auch einen Perlenunternehmer in der Familie.«
»Du arbeitest auch in der Perlenbranche und lebst in Broome. Die Leute in Sydney beurteilen solche Verbindungen nicht immer positiv.«
Pauline warf Sami einen fragenden Blick zu. »Du meinst die Sache mit der Aborigine-Familie?«
»Genau. Ich dachte, ich wäre ziemlich liberal und offen für alles, und jetzt – peng! – habe ich gemerkt, dass ich nicht wollte, dass irgendjemand von meinem Aborigine-Blut weiß.«
»Warum? Was hat das ›Peng‹ ausgelöst?«
»Ich habe nicht das Gefühl, dass ich einen echten Anspruch auf diese Kultur habe. Und ehrlich gesagt sind auch einige meiner ach so liberalen Freunde an der Uni tief drinnen ziemliche Rassisten. Klar, sie würden Kerrianne für eine super Sängerin halten, sie sind für die Aussöhnung auf die Straße gegangen und haben Petitionen unterschrieben und treten politisch ganz korrekt für den Dialog zwischen den Kulturen ein – aber mit einer ganzen Meute von denen leben? Eine von denen heiraten? Einen adoptieren? Eigentlich lieber nicht, danke. Das ist ein ziemlicher Ballast, wenn man auch nur entfernt in den Ruf kommt, man hätte
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