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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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geworden. Aber ich hätte sicher reisen, Karriere machen und mir einen Ehemann außerhalb meiner Stadt suchen wollen.«
    »Was du ja auch getan hast.«
    »Stimmt. Es lässt sich gut durch die Lande streifen, wenn man ein Zuhause hat, in das man zurückkehren kann. Ich bin ja viel umhergezogen, aber ich war rastlos. Hauptsächlich, weil ich nicht das Gefühl hatte, zu einer Familie zu gehören, die ein echtes Zuhause hat, nicht bloß ein Dach über dem Kopf.«
    »Oma ist permanent durch die Welt gezogen. Glaubst du, sie hat das Gleiche empfunden?« Sami wünschte, sie hätte ihre ausweichende Großmutter hartnäckiger befragt.
    »Sie hatte sich diese Art zu leben ausgesucht. Ich vermute, da waren auch Scham oder Schuldgefühle im Spiel, so wie die Zeiten damals waren. Aber weißt du, ich denke oft, dass sie auf dem Auge blind war.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, Olivia muss eine so liebevolle, entzückende Frau gewesen sein, Tyndall hatte ein riesengroßes Herz, und die Liebe zwischen Hamish und Maria war sehr stark und hatte gar nicht die Chance, schal zu werden. Das war Georgianas Erbe, aber sie wollte es ignorieren.«
    »Bist du ihr böse? Wirfst du es ihr vor, dass sie dir nichts von alledem erzählt hat?« Sami machte eine ausholende Handbewegung in Richtung der Buschlandschaft.
    »Zuerst war ich das. Ich bin immer noch verwirrt, immer noch schwankend in meinen Gefühlen und Standpunkten«, sagte Lily zögernd, nachdenklich. Ihre Finger umklammerten das Lenkrad, dann entspannte sie sich etwas. »Aber in einer Sache sehe ich jetzt ganz klar. Ich nehme meine Aborigine-Verwandtschaft hier in Broome freudig an und hätte keine Probleme, meine Verwandten irgendjemandem in Sydney vorzustellen.«
    »Ehrlich?«
    »Ich glaube schon. Rosie und Harlan haben mich einmal besucht. Aber die passen überallhin, deshalb stellte sich die Frage nicht.«
    Sami war ein wenig nervös, doch die Frage brannte ihr auf der Zunge. »Weil sie, na ja, nicht schwarz aussehen, ich meine, weil sie helle Haut haben? Irgendwie nicht auffallen?«
    Lily zögerte mit der Antwort. Sie musste ihre Gedanken sowohl für Sami als auch für sich selbst ordnen. »Indem ich meine familiären Verbindungen hier in Broome akzeptiere, bekenne ich mich gleichzeitig dazu, dass ich zum Teil eine Aborigine bin.«
    »Zu einem winzigen Teil.«
    »Darum geht es nicht. Blut ist Blut. Man kann es leugnen, aber es ist da.«
    »Aber wenn sie dich akzeptiert haben, und du dich gerne dazu bekennst, wo ist dann das Problem?«, beharrte Sami in der Hoffnung, mit den Antworten ihrer Mutter würde sie vielleicht ihre eigene Verwirrung klären.
    »Es geht um den Gedanken der Zugehörigkeit. Wohin gehöre ich? Ich fühle mich unbehaglich dabei, das Land, auf dem das Haus meines Urgroßvaters erbaut wurde, als mein Land zu beanspruchen, oder Niahs und Mayas Land als Teil von mir. Trotzdem, wenn ich bei den alten Frauen oben an der Küste in Biddys und Dollys Land bin, fühle ich mich wohl. Ich finde dort einen Frieden, den ich nirgendwo sonst habe. Und das liegt daran, dass dort eine Atmosphäre des Teilens herrscht und sie mich die Zeremonien lehren, die Verwandtschaft mit ihnen und diesem Teil des Landes. Die Frage, in wessen Haus wir uns befinden, stellt sich da nicht.«
    »Und wohin gehören dann die weißen Australier – die ohne Aborigine-Verwandtschaft? Wo gehöre ich hin? Es ist viel schwerer, wenn man eine Wahl hat … und eine Vergangenheit.« Sami seufzte.
    »Ich glaube, wir sind alle Gefangene unserer Vergangenheit. Ob sie nun frisch ist oder uralt. Was zählt, ist, wie wir unser Leben heute leben, aber das ist nicht immer einfach. Wir zahlen den Preis dafür, wo wir geboren werden.«
    »Klar, es ist nicht so einfach, wenn man in irgendeinem kriegszerrissenen Land im Mittleren Osten oder in einer dürregeplagten afrikanischen Wüste geboren wurde«, stimmte Sami zu.
    »Sei froh, dass du im schönen Sydney auf die Welt gekommen bist und Sippschaft in Broome hast«, bemerkte Lily, um die Stimmung aufzuhellen. »Schau mal, hier bei der Missionarsstation geht’s ab. Schwester Angelica ist hier, solange Vater Stoddart in Perth ist. Lass uns auf einen Tee reinschauen.«
    Sami wandte sich nach hinten. »Teezeit, Rakka.« Die Hündin wedelte mit dem Schwanz und streckte sich. Sami und Lily waren dankbar für die Ablenkung.
    Sie sahen Schwester Angelica zu, die in der ordentlichen, aber spartanisch eingerichteten Küche eine Kanne Tee kochte. Die Frau war winzig, und

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