Die Perserinnen - Babylon 323
sofort: das Klirren eines
Wehrgehänges.
„Nur einer unserer Wachposten“, flüsterte Apama. Sofort zog
sich der Bewaffnete in den Schutz der Dunkelheit zurück. „Unsere Leute halten
hier überall Wache. Glaub mir, hier bist du in Sicherheit, mehr als sonst.“
Apama führte sie durch die Haupthalle des Apadana zum
westlichen Nebengelass. Drinnen war es stockdunkel, bis plötzlich der grelle
Schein einer Lampe aufleuchtete.
„Danke, dass du gekommen bist, Banuka“, sagte einer der
Männer, die in der Dunkelheit gewartet hatten, und verbeugte sich zusammen mit
den anderen. „Es ist spät, und wir haben dich an einem ungewöhnlichen Ort
gebeten.“
Das metallene Visier der Lampe wurde wieder
heruntergelassen, sodass nur noch ein düsteres Glimmen die Dunkelheit milderte,
gerade genug, damit Paruschjati die sieben vermummten Gestalten vor ihr
ausmachen konnte.
„Dieser Ort ist ein Symbol“, sagte wieder der Mann in der
Mitte. Es musste der gleiche sein, der schon bei ihrem ersten Treffen der
Wortführer gewesen war. „Er steht für die Macht der Großkönige, die vor
Generationen auch diese einst so mächtige Stadt erobert haben. Der passende
Ort, um über die Rettung unseres Reiches zu sprechen. Der König wird sterben,
und wir sind gekommen, um dir ein Angebot zu unterbreiten.“
„Der König wird nicht sterben“, sagte Paruschjati
reflexhaft.
„Vielleicht nicht, aber es lässt sich nicht mehr verheimlichen,
dass er schwer erkrankt ist. Was ist, wenn er tatsächlich sterben sollte? Wer
wird sein Erbe antreten?“
„Das wird er selbst bestimmen.“
„Und wenn ihm dazu keine Zeit mehr bleibt? Sie lassen
niemanden zu ihm. Es gibt Gerüchte, dass er sogar schon tot ist und sie seinen
Tod verheimlichen.“
„Wie du selbst sagst: Das sind Gerüchte“, erwiderte
Paruschjati mit Schärfe.
„Trotzdem müssen wir uns über die Zukunft Gedanken machen,
und du solltest es ebenfalls tun. Besonders, wenn du ein Kind erwartest.“
Apama ließ sich vom Eingang her vernehmen: „Wir wissen
natürlich, dass du gestern den Tempel der Ninmach besucht hast.“
„Nehmen wir einmal an, du bekommst einen Sohn“, fuhr der
Unbekannte fort. „Was wird aus ihm, wenn der König in den nächsten Tagen sterben
sollte? Du bist die Tochter und die Schwester der beiden letzten rechtmäßigen
Großkönige. Ein Sohn von dir hätte einen größeren Anspruch auf die Thronfolge
als jeder andere. Doch er ist noch nicht einmal geboren. Wenn der König jetzt
sterben sollte, würden die Fremden sofort einen anderen auf den Thron setzen,
den Sohn von Barschina oder Raukschana. Sie würden in seinem Namen die Macht an
sich reißen. Dein Sohn wäre eine Bedrohung für sie.“
Paruschjati schwieg einen Augenblick. Die Argumentation war
durchaus überzeugend. „Du hast von einem Angebot gesprochen.“
„Wir bieten dir unsere Hilfe an, Banuka. Ein Sohn von dir
wäre für uns der rechtmäßige Erbe des Throns, doch es liegt nicht in unserer
Macht, ihm zu seinem Recht zu verhelfen. Aber wir können etwas anderes tun: Wir
können dich und dein ungeborenes Kind aus Babiru herausbringen, an einen Ort,
an dem ihr in Sicherheit seid. Aber es muss schnell geschehen, noch ehe der
König stirbt. Danach wird es zu spät sein. Sie würden dich niemals entkommen
lassen.“
„Warum wollt ihr das tun? Sicher handelt ihr nicht aus
reiner Menschenfreundlichkeit. Sagt mir, was ihr von mir und meinem Sohn
erwartet!“ Der Unbekannte antwortete nicht, und auch sonst sagte niemand ein
Wort. Paruschjati blickte von einem zum anderen, doch das Schweigen hielt an.
„Sagt es mir, oder ich kann euer Angebot nicht in Betracht ziehen.“
„Wir werden offen zu dir sein“, sagte einer der anderen
Männer. „König Alaksanda war unser Feind, und doch respektieren wir ihn. Wir
respektieren ihn, weil er uns in ehrlichem Kampf besiegt hat, aber auch, weil
er uns seinerseits Respekt bezeugt. Ja, er hat unser Reich zerstört. Aber er
hat ein neues Reich gegründet, in dem auch wir einen ehrenvollen Platz haben
sollten. Er hat uns eine Zukunft geboten. Doch wenn er sterben sollte, ändert
das alles.“
„Ja, es ändert alles“, meldete sich ein Mann zu Wort, der
ein wenig abseits von den anderen stand. Es war der Mann mit der heiseren
Stimme, der Paruschjati schon beim letzten Mal aufgefallen war. „Die Arija
haben König Alaksanda akzeptiert, nicht aber seine Lakaien. Wir hassen und
verachten sie ebenso wie sie uns. Niemals werden wir die Herrschaft der
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