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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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musste der Turm
ausgesehen haben, wenn die alten Babylonier die Feste ihrer Götter gefeiert
hatten.
    „Wenn der letzte König von Babili diese Welt verlassen hat“,
sagte der alte Priester, und seine Stimme hatte einen melancholischen Klang
angenommen, „wird das Ende unserer Stadt gekommen sein. Warum also sollten wir
Priester König Aliksandar töten?“
    Ohne den Stufenturm aus den Augen zu lassen, murmelte
Paruschjati: „Es wird noch viele Könige von Babylon geben.“ Die Lichter
flimmerten wie unzählige winzige Sterne.
    „König Aliksandar wird viele Nachfolger haben, doch keiner
wird König von Babili sein. Nach seinem Tod wird die Pforte der Götter
verschlossen, und unsere wunderbare Stadt, einst Mittelpunkt der Welt, wird
untergehen.“

12
    Das Frühjahr war in Susa immer die schönste Jahreszeit. Das
Wetter war angenehm mild, das Gras saftig und grün und noch nicht so ausgedörrt
wie den Rest des Jahres. Durch die Luft schwebten weiße Watteflocken von den
Pappeln, die hier überall wuchsen. Der Trubel wegen der Hochzeit hatte sich
wieder verlaufen, die Festzelte vor der Stadt waren abgebaut worden, und der
Betrieb im Palast nahm allmählich wieder normale Formen an.
    Eines Morgens entschloss sich Paruschjati zu einem Ausritt
und ließ die Pferde für sich und ihre Begleitung fertig machen. Im sanften
Licht der Frühlingssonne und bei strahlend blauem Himmel ritt sie nach Osten,
auf die weit entfernten Berge zu, die sich in der klaren Luft scharf
abzeichneten.
    Nach einiger Zeit kreuzte eine zweite Gruppe von Reitern
ihren Weg. Sie war größer als ihre eigene, und doch nicht so groß, wie zu
erwarten gewesen wäre: der König höchstselbst, mit für seine Verhältnisse
wenigen Begleitern. Offenbar hatte auch er Lust auf einen kleinen informellen
Ausritt verspürt. Überrascht zügelte er sein Pferd, dann lenkte er es neben das
von Paruschjati. Er lobte ihre Reitkünste und bezeichnete sie scherzhaft als
Amazone.
    Hephaistion, wie üblich an seiner Seite, sagte zu ihm:
„Weißt du denn nicht, dass persische Damen hervorragend reiten? Sie können
sogar mit Pfeil und Bogen umgehen, mindestens so gut wie Männer. In Persien
sitzen die Frauen nicht einfach zu Hause herum wie in Griechenland.“ Er
bedachte Paruschjati mit einem verschwörerischen Grinsen, und sie konnte nicht
anders, als zurückzulächeln.
    „Du nimmst mich auf den Arm!“, sagte der König zu
Hephaistion.
    Paruschjati mischte sich ein: „Nein, es stimmt. Früher am
Hof des Großkönigs haben die Damen sogar an königlichen Jagdpartien
teilgenommen.“
    Der König blickte so ostentativ ungläubig, dass ihr
schlagartig klar wurde, dass er längst Bescheid wusste. Nicht ihn hatte
Hephaistion auf den Arm genommen, sondern sie. Sie spürte, dass sie rot wurde.
Dann lachte der König, Hephaistion lachte, und schließlich lachte auch sie. Sie
ritten noch eine Zeitlang nebeneinander her und unterhielten sich zu dritt, ehe
sich ihre Wege wieder trennten.
    Das war alles gewesen. Und doch war dieser Vorfall der Grund
dafür, dass sie noch am Nachmittag desselben Tages unerwarteten Besuch erhielt.
    Bagauva war ein hochrangiger junger Eunuch im Hofstaat des
Königs. Allein schon sein Name weckte böse Erinnerungen in Paruschjati, doch an
diesem Tag schob sie ihr Unbehagen beiseite. Sie befand sich in Hochstimmung.
Seit ihrer Hochzeit hatte sie den König nicht mehr gesehen, und natürlich
machte sie sich wegen der Begegnung am Morgen gewisse Hoffnungen.
    Sie empfing den Eunuchen im Garten und lächelte
erwartungsvoll, während eine Dienerin ihm einen Becher Wein reichte. Bagauva
trank, wobei er Paruschjati mit seinen dunklen Augen über den Becherrand hinweg
musterte. Er war eigentlich viel zu jung für den hohen Rang, den er bekleidete,
vermutlich erst um die zwanzig, obwohl sich das Alter von Eunuchen häufig nicht
genau einschätzen ließ. Ähnliches galt für Bagauvas Geschlecht. Vom Aussehen
her konnte er sowohl ein etwas zart gebauter Junge sein als auch ein
hochgewachsenes Mädchen. Sein Gesicht war perfekt geschnitten, seine makellose
Haut und die unglaublich langen Wimpern ließen die meisten Frauen
(einschließlich Paruschjati selbst) vor Neid erblassen.
    Bagauva hatte den Becher sinken lassen und starrte
Paruschjati weiter gedankenverloren an. Sie fühlte sich mehr und mehr
unbehaglich unter seinem Blick. Schließlich fragte sie ungeduldig: „Nun? Was
sollst du mir ausrichten?“
    Er zog eine seiner fein gezeichneten Augenbrauen

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