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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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meinte Artaunisch, die jüngere von Barsines
Schwestern. „Ihre Schwägerin hat sie ganz schön unter der Fuchtel.“
    „Hoffentlich langweilen Atalante und ihre sicher ebenso
reizenden Freundinnen deine bedauernswerte Nichte nicht zu Tode“, sagte Barsine
zu Paruschjati.
    Eine Zeitlang zogen sie über Perdikkas’ Schwester her, die
für ihre Arroganz und ihren Mangel an Höflichkeit berüchtigt war. Paruschjati
überlegte kurz, dann nahm sie sich einen mit Sesam und Mohn bestreuten
Honigkuchen und biss hinein. Sie glaubte, das riskieren zu können, denn die
Übelkeit vom Morgen war bisher nicht wiedergekommen. Entspannt lehnte sie sich
zurück, lauschte den Musikantinnen und Sängerinnen und bewunderte die farbigen
Wandmalereien, die Gärten und Tiere und fröhlich tafelnde Menschen darstellten.
Dieser Palast hatte einst den Königen von Babylon gehört, hier hatten sie mit
ihren Königinnen Feste gegeben, bis die Stadt von den Persern erobert worden
war. Jetzt feierten hier die makedonischen Eroberer und ihre unhöflichen
Schwestern.
    „Hat man inzwischen herausgefunden, was es mit dem Vorfall
heute Nachmittag auf sich hatte?“, fragte Frataguna irgendwann.
    „Was für ein Skandal!“, erklärte Artaunisch genüsslich. Sie
war die Frau von Eumenes, dem königlichen Kanzleichef, und hatte mit Sicherheit
schon alles Wissenswerte aus ihm herausgeholt. „Während alle auf das Rennen
achteten, tauchte plötzlich dieser Unbekannte auf. Später konnte niemand sagen,
woher er gekommen war. Jedenfalls schritt er seelenruhig zwischen den Eunuchen
hindurch zum Thron, legte den Mantel und das Diadem an und setzte sich. Die
Eunuchen waren so perplex, dass sie erst reagierten, als es zu spät war.“
    „Das Diadem auch?“, fragte Paruschjati erschrocken. Von
ihrem Platz aus hatte sie diese Einzelheit nicht bemerkt.
    „Ein schlechtes Vorzeichen“, sagte Artakama.
    „Ein Zwischenfall“, erwiderte Barsine, „nichts weiter.“
    „Aber meine Liebe, ein Fremder setzt sich auf den Thron des
Königs – wenn das kein schlechtes Omen ist, was ist dann eines?“
    „Weiß man, wer der Fremde ist und was seine Gründe waren?“,
fragte Paruschjati.
    Artaunisch zuckte die Achseln. „Man hat ihn verhört, aber er
hatte keine Erklärung für sein Verhalten, er sagte, es sei einfach über ihn
gekommen. Sogar unter der Folter hat er nichts anderes ausgesagt. Allerdings
ist der Mann schon früher aufgefallen. Er kletterte auf die unterste Stufe des
Tempelturms und brüllte von dort aus dummes Zeug – das Ende der Welt sei nahe
und so weiter. Die Priester haben ihn in den Kerker gesteckt.“
    „Offenbar haben sie ihn wieder herausgelassen“, mischte sich
Ilissa ein, Barsines Tochter. „Ich frage mich, warum. Vielleicht ist das alles
wieder einmal eine Intrige der Chaldäer. Erinnert ihr euch, was für eine
Scharade sie aufgeführt haben, als Hof vor ein paar Monaten nach Babylon kam?“
    Daran konnten sich alle Anwesenden nur allzu gut erinnern.
Die Chaldäer, die babylonischen Priester und Zeichendeuter, waren dem König
entgegengezogen und hatten ihn davor gewarnt, die Stadt zu betreten, angeblich
kündigten die Vorzeichen dort Unheil für ihn an. Als er sich nicht beirren
ließ, beschworen sie ihn, wenigstens nicht von Osten einzuziehen, sondern von
Westen. Der König, der allen Sehern mit großem Respekt begegnete, hatte den Rat
der Chaldäer zunächst beherzigt. Tagelang waren der Hof und die Armee in den
Sümpfen südlich von Babylon umhergeirrt, bis der König es schließlich
sattbekommen hatte und einfach doch von Osten eingezogen war.
    Bald war allen klar geworden, warum die Chaldäer unbedingt
verhindern wollten, dass der König nach Babylon kam: Er sollte nicht bemerken,
dass der gigantische, dem Stadtgott Marduk geweihte Stufenturm noch immer eine
Ruine war. Großkönig Kschajarscha (oder Xerxes, wie die Eroberer ihn zu nennen
beliebten) hatte den Tempel vor mehr als hundertfünfzig Jahren zerstört, nach
einem Aufstand der Einheimischen. Als König Alexander vor ein paar Jahren zum
ersten Mal in Babylon gewesen war, hatte er befohlen, den Turm
wiederaufzubauen. Doch die Priester hatten das dafür bestimmte Geld lieber in
die eigene Tasche gesteckt. Der König war sehr aufgebracht gewesen, nicht nur
wegen des veruntreuten Geldes, sondern auch weil sie versucht hatten, ihn an
der Nase herumzuführen.
    „Den Chaldäern ist alles zuzutrauen“, stimmte Artaunisch
daher zu. „Sie erfinden gerne Vorzeichen und

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