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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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antreten musste, solange das noch in Würde
möglich war.
    „Ich will auf keinen Fall stören.“ Wieder wedelte sie
affektiert mit ihrem Fächer und klimperte mit den gefärbten Wimpern. „Heute
Nacht ist es schrecklich heiß, findet ihr nicht auch? Dabei steht der Sommer
uns erst noch bevor!“

2
    Jemand schüttelte sie, bis sie wach wurde, setzte sie auf
den Bettrand und begann, ihr das Nachthemd über den Kopf zu ziehen.
Unwillkürlich setzte sich Paruschjati zur Wehr.
    „Sei still!“, hörte sie Damaspias Stimme im Dunkeln
flüstern. „Keinen Ton, hörst du? Wir müssen ganz leise sein!“
    Sofort hielt Paruschjati still, und ihre Mutter zog ihr das
Hemd aus und stattdessen ein anderes über. Es war aus grobem Stoff und kratzte
auf der Haut. Damaspia selbst trug das einfache Gewand einer Dienerin. Ihr
Haar, sonst schwarz und glänzend, hatte im Licht der Tonlampe, die neben dem
Bett auf dem Boden stand, einen stumpfen Grauton angenommen, als sei es mit
Staub überpudert. Damaspia band Paruschjati eine Schnur um die Taille, dann
wischte sie mit der Hand über den Fußboden unter dem Bett, wo die Dienerinnen
nicht so gerne putzten, und fuhr ihr damit über das Gesicht.
    „Hör zu!“, sagte Damaspia und packte Paruschjati bei den
Schultern. „Wir werden jetzt fortgehen. Wir müssen uns beeilen, und wir müssen
leise sein. Niemand darf uns bemerken.“ Sie schüttelte ihre Tochter leicht.
„Was immer geschieht: Du darfst keinen Ton von dir geben und tust genau, was
ich dir sage, hörst du?“
    Damaspia nahm Paruschjati an die Hand. Sie schlichen hinaus
auf den dunklen Gang, zur Küche an seinem Ende und dann durch die Unterkünfte
der Dienerinnen. Sie waren leer, niemand war zu sehen.
    „Wo sind denn alle?“, flüsterte Paruschjati.
    Damaspia versetzte ihr eine Ohrfeige, so fest, dass es
wehtat. Paruschjati hielt den Atem an, nicht wegen des Schmerzes, sondern weil
ihre Mutter sie sonst niemals schlug. Wie zur Entschuldigung beugte sich Damaspia
zu ihr herunter und strich ihr sanft über die Wange. „Es tut mir leid! Aber du
musst still sein! Kein Wort, hörst du? Kein einziges.“ Und nach einer Pause:
„Sie sind fortgelaufen … oder tot. Hier ist niemand mehr.“
    Sie liefen weiter, bis sie in einen von Fackelschein
erhellten Innenhof gelangen. Hatten in Damaspias Gemächern gespenstische Leere
und Stille geherrscht, so wimmelte es hier von Menschen. Palastbedienstete
liefen umher, die Gesichter von Schrecken gezeichnet. Niemand beachtete die
Dienerin mit dem Kind. Die beiden huschten von einem Gebäude zum nächsten,
hielten stets die Blicke gesenkt und sprachen kein Wort, bis sie den Eingang
zum Schatzhaus erreichten. Damaspia holte einen Schlüssel hervor und schloss
auf. Wieder huschten sie durch ein Gewirr von Gängen. Schließlich drückte
Damaspia eine weitere Tür auf, und sie schlüpften hindurch.
    Der Raum war dunkel und wirkte klein, doch dann begriff
Paruschjati, dass er in Wirklichkeit einfach nur vollgestopft war. Ein Magazin,
in dem Stoffballen gelagert wurden. Damaspia schob ein paar Stapel zur Seite,
sodass sich ein Zwischenraum bildete. Dort versteckten sie sich und warteten,
schweigend und angsterfüllt. Bald näherten sich Schritte und Stimmen, unter dem
Türspalt schimmerte ein schwacher Lichtschein hindurch. Damaspia presste
Paruschjati an sich. Die Tür flog auf, eine Fackel leuchtete herein, ihr Licht
wanderte über die gestapelten Stoffballen.
    Sie hielten den Atem an.
    Dann rief eine Stimme: „Hier sind sie auch nicht!“
    Die Tür wurde wieder zugeschlagen, der Lärm entfernte sich.
    „Wo ist Arescha?“, fragte Paruschjati. Obwohl sie die
Wahrheit längst ahnte, fügte sie hinzu: „Hat er sich auch versteckt? Sollen wir
ihn suchen?“
    Ihre Mutter strich ihr über den Kopf. „Arescha ist tot.“
    „Und seine Frau und die Kinder?“
    „Sie sind alle tot.“ Damaspia schluchzte. „Jetzt gibt es nur
noch dich und mich!“
    „Und Frataguna“, sagte Paruschjati und drückte ihr Gesicht
an Damaspias Brust. „Sie ist in Sicherheit, bei Vidarna.“
    „Ja, wenigstens sie ist in Sicherheit.“

Babylon, 17. Daisios
    Wieder erwachte sie, weil jemand sie schüttelte.
    „Wach auf!“
    Wieder das Schütteln.
    „Mach die Augen auf! Du hattest einen Alptraum.“
    Sie öffnete die Augen und bemerkte, wie jemand sich über sie
beugte. Es musste sehr früh am Morgen sein, denn das Zimmer war von fahlem
Licht erfüllt, in dem sich alles nur schemenhaft abzeichnete. Trotzdem

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