Die Perserinnen - Babylon 323
Barschina“, sagte Paruschjati absichtlich so laut,
dass der halbe Saal es hören konnte. Dann fügte sie etwas leiser auf Griechisch
hinzu: „Ich freue mich, dich zu sehen, Barsine!“
Barsine stand auf und verbeugte sich. In formellem Ton
erwiderte sie auf Persisch: „Königin Paruschjati. Ich freue mich ebenfalls.“
Paruschjati überlegte kurz, ob sie auf Persisch oder Griechisch
antworten sollte, entschied sich dann aber für Persisch, weil Frataguna und
Faiduma die Sprache der Eroberer weniger gut beherrschten als die anderen Damen
in der Runde. „Dürfen wir uns zu euch setzen?“
„Aber gern.“ Barsine lächelte souverän. Sie war zu erfahren,
um sich ihre Irritation anmerken zu lassen. Wahrscheinlich würde morgen der
ganze Palast darüber klatschen, dass Paruschjati sie als „Königin“ angesprochen
hatte – mit einem Titel, von dem nicht alle überzeugt waren, dass er ihr
zustand. Schließlich hatte der König Barsine niemals offiziell zur Frau
genommen.
Bagodara schnippte hektisch mit den Fingern. Wie aus dem
Nichts tauchten Eunuchen auf. Sie brachten den Sessel, der für Paruschjati
vorgesehen gewesen war, und weitere Stühle sowie Geschirr, das sie in
Windeseile auf den niedrigen Tischen verteilten. Danach zog sich der
Oberhofmeister eilig zurück (seine Erleichterung war ihm sogar von hinten noch
anzusehen), während Aspamithra und seine Eunuchen Aufstellung an der Wand
hinter den Frauen nahmen.
Paruschjati und Frataguna setzten sich. Barsines Blick fiel
auf Faiduma. „Und wer ist diese junge Dame? Etwa die kleine Faiduma? Was heißt
klein! Wie die Zeit vergeht!“ Barsine klopfte einladend auf das Kissen, das
neben ihrem Stuhl auf dem Teppich lag, und Faiduma setzte sich. Barsine stellte
ihr die anderen Frauen vor. „Das hier ist meine Tochter Ilissa, und das sind
meine Schwestern Artaunisch und Artakama. Meine Schwägerinnen Artazaustra,
Parmija und …“ Sie zählte die Namen von Schwestern, Schwägerinnen und Nichten
auf, die sich in großer Zahl um sie geschart hatten. „Warum guckst du so
überrascht?“
Faiduma wurde rot. „Weil ihr alle Parsa-Namen habt. Dabei
seht ihr gar nicht aus wie Parsa-Frauen.“
„Faiduma!“, rief Frataguna empört.
„So? Wie sehen wir denn dann aus?“, fragte Barsine amüsiert.
Faiduma warf einen ängstlichen Blick zu ihrer Mutter, doch
als Barsine nicht lockerließ, antwortete sie schließlich: „Eher wie
Jauna-Frauen. Zumindest seid ihr so angezogen.“
Barsine warf den Kopf in den Nacken und lachte, ebenso wie
Paruschjati und die anderen Frauen im Kreis. Nur Frataguna wusste vor
Verlegenheit nicht, wohin sie blicken sollte. Barsine trug wie ihre Verwandten
einen Chiton, ein in kunstvolle Falten gelegtes Kleid nach griechischer Mode.
Er wurde auf den Schultern durch Spangen zusammengehalten und ließ die Arme
unbedeckt – äußerst freizügig nach persischen Begriffen. Persische Frauen
trugen weite Ärmel, die die Arme bis zu den Handgelenken bedeckten und in
weiten Falten nach unten fielen. Außerdem trugen Barsine und die anderen Frauen
nicht den langen Zopf persischer Frauen, sondern hatten ihre Haare zu
komplizierten Frisuren mit kleinen Löckchen aufgesteckt.
„Ist das nicht merkwürdig?“, fragte Barsine schließlich.
„Wir sitzen hier im östlichen Teil des Saales, aber kulturell gesehen ist hier
eher Westen.“
Paruschjati sah sich um und musste Barsine recht geben. Ein
wenig weiter war eine Gruppe von Frauen ebenfalls nach westlicher Mode
gekleidet. Sie gehörten zu den wenigen makedonischen und griechischen Frauen in
Babylon, Gattinnen hoher Offiziere und anderer Würdenträger. Eine Dame mit
strohblonden Haaren saß in ihrer Mitte und hielt Hof, nicht weniger
hochherrschaftlich als Statira. Paruschjati erkannte Atalante, die Schwester
von Perdikkas, einem der sieben Königlichen Leibwächter. Die Makedonin tat, als
ob sie Paruschjati nicht bemerkte, doch die junge Frau neben ihr, die einzige
persisch gekleidete Dame in dem Kreis, stand auf und verneigte sich.
„Gambija“, rief Paruschjati erfreut und winkte ihr, zu ihnen
herüberzukommen.
Gambija war ebenfalls eine Nichte von ihr, die Tochter ihrer
älteren Halbschwester Parmusch. Sie hatte das Pech, die Frau von Perdikkas und
somit Atalantes Schwägerin zu sein. Die junge Frau warf einen Blick auf Atalante,
die nach wie vor angestrengt in die andere Richtung starrte. Dann lächelte sie
gequält, verbeugte sich nochmals und setzte sich wieder.
„Die Ärmste!“,
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