Die Perserinnen - Babylon 323
setzen?“
„Du denkst zu sehr wie eine Perserin. Perdikkas geht es nur
um die Macht, und die will er mit niemandem teilen. Schon gar nicht mit uns
Persern.“
Du denkst zu sehr wie eine Perserin – das waren auch
Eumenes’ Worte gewesen. „Du meinst also, Perdikkas favorisiert Raukschanas Sohn
gerade deshalb, weil er wenig Rückhalt bei den Persern hätte …“
„… und deshalb ganz und gar von ihm abhängig wäre“, führte
Barsine den Gedanken zu Ende.
Eumenes hatte dasselbe gesagt, Paruschjati hatte nur nicht
richtig zugehört. „Noch hat Perdikkas nicht gewonnen!“, sprach sie sich selbst
Mut zu. „Er muss seinen Kandidaten erst einmal in der Heeresversammlung
durchsetzen. Die Phalangiten, die dort in der Mehrheit sind, wollen keinen
Erben von halb persischer Herkunft. Du dagegen bist zur Hälfte Griechin. Deine
Brüder bekleiden hohe Posten in der Armee, und vor allem: Du bist mit
einflussreichen Leuten verschwägert, mit Nearchos, Eumenes und Ptolemaios. Sie
können sich für die Rechte deines Sohnes einsetzen.“
Barsine schüttelte den Kopf. „Nearchos und Eumenes sind
Griechen, sie werden in der Heeresversammlung keine Rolle spielen. Und
Ptolemaios … er ist kein Freund von Perdikkas, aber ich vertraue ihm nicht. Wer
weiß, welche Ziele er verfolgt. Nein, meine Familie ist jetzt schon vielen zu
einflussreich. Herakles’ verwandtschaftliche Verbindungen könnten sogar ein
Nachteil für ihn sein. Meine Brüder sind immer noch überzeugt, dass die Heeresversammlung
meinen Sohn als neuen König anerkennen wird, doch ich selbst glaube nicht
daran. Und wer weiß, vielleicht ist es ohnehin besser so.“
Überrascht fragte Paruschjati: „Willst du denn nicht, dass
dein Sohn König wird?“
„Natürlich will ich das!“, rief Barsine verzweifelt. „Welche
Frau an meiner Stelle würde das nicht?“ Ruhiger fuhr sie fort: „Ich habe davon
geträumt, dass Herakles heranwächst und ein Mann wird, ein Mann mit
Selbstbewusstsein und Ehre. Vielleicht würde der König dann in ihm eines Tages
einen würdigen Nachfolger sehen. Und wenn nicht, hätte das Schicksal es eben so
gewollt. Aber niemand hat damit gerechnet, dass Alexander jetzt schon stirbt.
Herakles ist zu jung, um tatsächlich König zu sein. Er wäre nur ein Spielball
in den Händen von Perdikkas und den anderen Mächtigen. Sein Leben wäre in
ständiger Gefahr.“
Bedrückt dachte Paruschjati an Eumenes’ Warnung. Und an ihr
eigene Besorgnis, die sie quälte, seit sie bemerkt hatte, dass sie
möglicherweise schwanger war. „Was hast du vor?“
„Am liebsten würde ich meinen Sohn nehmen und ihn so schnell
wie möglich in Sicherheit bringen. Aber ich trage ihm gegenüber Verantwortung.
Ich kann und will Herakles nicht um sein Erbe bringen. Deshalb kann ich erst
gehen, wenn ich sicher weiß, dass er es niemals antreten wird.“
Paruschjati folgte dem Weg, der sich zwischen Büschen und
Bäumen hindurchwand, vorbei an Beeten und Blumenkübeln mit exotischen Pflanzen.
Längst war Barsine gegangen, und Paruschjati hatte ihr Gefolge fortgeschickt.
Wieder einmal ein schwerer Verstoß gegen die Etikette, doch sie musste allein
sein. Sie wusste, dass ihre Frauen und Eunuchen trotzdem in ihrer Nähe blieben,
unsichtbar, aber wachsam, während sie den verschlungenen Wegen des Gartens
folgte. Die Sonne stieg höher und höher, die Hitze wurde immer unerträglicher,
doch sie bemerkte sie kaum.
Sie stieg eine aus gelben Ziegeln gemauerte Treppe hinauf
zur obersten Terrasse, zu einem Pavillon mit schlanken, persischen Säulen. Von
dort aus wanderte ihr Blick über die unteren Teile des Gartens und die
Umfassungsmauer bis zum Fluss, der in der brütenden Mittagshitze träge
dahinfloss.
„Es ist ein Klischee“, sagte eine Stimme, „dass sich
Verschwörer stets nachts im Schutz der Dunkelheit treffen.“
Zu Tode erschrocken, fuhr sie herum. Ein Mann stand im
hinteren Teil des Pavillons, lässig gegen eine der Säulen gelehnt, die Arme vor
der Brust verschränkt. Er hatte persisch gesprochen und war auch persisch
gekleidet, und obwohl sein Äußeres ihr nichts sagte, hatte sie sofort das
Gefühl, ihn zu kennen.
Der Fremde fuhr fort: „Wenn man in Babiru unbeobachtet
konspirieren will, sollte man es am Nachmittag tun, wenn die Hitze mörderisch
ist und kein vernünftiger Mensch sich im Freien aufhält.“ Er wechselte in den
Schatten einer anderen Säule, wo er weiterhin von außen nicht zu sehen war. „Du
brauchst keine Angst zu haben, von
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