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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Oberlippe unter dem
Schnurrbart – sein gut geschnittenes, aber unauffälliges Gesicht erinnerte sie
vage an Arescha, und die Ähnlichkeit wurde deutlicher, je länger sie hinsah.
Bildete sie sich das ein oder konnte es stimmen?
    Sie befreite sich aus seinem Griff. „Wie kommst es, dass
seitdem niemand von dir gehört hat?“
    „Ich sah in Alaksandas Augen und erkannte, dass er
unbesiegbar war und jeder Widerstand gegen ihn sinnlos. Also floh ich noch in
derselben Nacht und hielt mich all die Jahre verborgen. Ahura Mazda hatte uns
verlassen, ich glaubte nicht mehr an seine Gerechtigkeit. Mein Gott wurde
Mithra. Mithra, der den Stier tötet, Mithra, dem in alter Zeit unsere Krieger
folgten. Und nun bin ich zurückgekehrt, der einzige überlebende Sohn
Artakschatras. Ich bin der rechtmäßige Großkönig. Du und ich, wir sind die
Letzten aus dem Haus des Hachamanisch. Wir müssen uns verbünden. Ich werde dich
zu meiner Königin machen, gemeinsam werden wir mit Mithras Hilfe das Haus des
Hachamanisch neu begründen.“
    Sie starrte ihn voller Entsetzen an. Er musste wahnsinnig
sein, selbst wenn er wirklich der war, der zu sein er vorgab. Sein Plan war
aussichtslos, er konnte nicht gelingen. Doch er würde zu unermesslichem
Blutvergießen führen, dem er selbst und seine Anhänger, aber auch viele
Unschuldige zum Opfer fallen würden.
    Mithra. Vor der Zeit des Propheten Zarathuschtra war Mithra
in unterirdischen Kultstätten verehrt worden, wo seine Anhänger nicht nur
blutige Stieropfer dargebracht, sondern sich auch mit einem berauschenden Trank
in Trance versetzt hatten. So unempfindlich gegen Schmerz und Angst geworden,
waren die Krieger in die Schlacht gezogen. Doch mit umnebelten Sinnen hatten
sie oft auch Unaussprechliches getan. Zarathuschtra hatte ihr Treiben streng
verurteilt, doch das Ritual war niemals völlig unterdrückt worden, vor allem
nicht in den östlichen Satrapien. Und Bisthan hatte sich seit Jahren im Osten
verborgen gehalten. Wer weiß, dachte Paruschjati, vielleicht hatte er seinen
Verstand mit diesem geheimnisumwobenen Haoma-Trank zerstört …
    „Entscheide dich“, sagte Bisthan. „Heirate mich und werde
meine Königin.“
    Ihr Mund war trocken. Sie wollte mit seinen wahnsinnigen
Plänen nichts zu schaffen haben, doch sie fürchtete, wenn sie ihn abwies, würde
er sie töten, jetzt an Ort und Stelle. Das musste er sogar, um sicherzustellen,
dass sie ihn nicht verriet. Wenn er jetzt seinen Akinaka zog oder sie von der
Terrasse stieß, würde niemand ihr zu Hilfe kommen. Sie wusste, ihre Eunuchen
waren in der Nähe, doch sie konnten nicht schnell genug bei ihr sein.
Wahrscheinlich war im Schatten der Säulen nicht einmal zu erkennen, dass sie
nicht allein in dem Pavillon war.
    „Dein Ziel ist groß und ehrenvoll.“ Sie fuhr mit der Zunge
über die trockenen Lippen und zwang sich ein Lächeln ab, von dem sie hoffte,
dass es überzeugend wirkte. „Ich fühle mich geehrt, dass du mir eine Rolle
dabei zugedacht hast. Aber ich brauche Bedenkzeit.“
    „Dann überlege, aber überlege nicht zu lange. Sobald der
König stirbt, schlagen wir los.“

13
    Unter den Großkönigen hatte es gewisse Traditionen gegeben,
was ihre Residenzen betraf. Den größten Teil des Jahres hielten sie in Susa
Hof, das Neujahrsfest begingen sie in Persepolis, den Winter verbrachten sie in
Babylon (die einzige Jahreszeit, in der es dort überhaupt auszuhalten war) –
und den Sommer in Ekbatana. Die Hauptstadt der Satrapie Medien lag auf einem
Hochplateau, wo auch im Hochsommer ein angenehmes Klima herrschte. Doch König
Alexander kümmerte sich wenig um althergebrachte Traditionen. Nachdem er den
Sommer über im hitzedurchglühten Babylonien geweilt hatte, war ihm ausgerechnet
zu Beginn des Herbsts eingefallen, sich mit dem Hof und der Armee nach Ekbatana
zu begeben.
    Paruschjati stieß ihrem Pferd die Fersen in die Weichen und
sprengte den Hügel hinunter, ehe jemand ihr folgen konnte. Zwischen den sanften
Anhöhen erstreckte sich flaches, mit Gras bewachsenes Weideland. Unten
angekommen, beugte sie sich über die Kruppe des Pferdes und jagte mit
halsbrecherischer Geschwindigkeit dahin. Die goldgelben Halme waren so hoch,
dass sie dem Pferd bis zum Bauch reichten, sie schienen sich vor ihr zu teilen
wie das Meer vor dem Bug eines Schiffes. Paruschjati genoss den Wind auf ihrem
Gesicht, gab sich ganz dem Rausch der Geschwindigkeit hin, bis zum Fuß des
nächsten Hügels. Geschickt lenkte sie ihr Tier den sanften

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