Die Perserinnen - Babylon 323
Tochter des verstorbenen
Großkönigs Darajavahusch und ersten Gemahlin von König Alaksanda.“
Die Männer um Okschatra stimmten lautstark zu, und
Paruschjati wurde klar, dass er bereits einen erheblichen Teil der Versammlung
auf seine Seite gezogen hatte. Auch Vahauka saß neben seinem Onkel. Heute war
er nicht wie ein Königspage gekleidet, sondern wie ein junger persischer
Adliger, doch sein Gesicht wirkte verschlossen und desinteressiert wie immer.
Auf der anderen Seite des Kreises hatte sich inzwischen
Widerspruch formiert. Kaufan erhob sich, der älteste von Barsines anwesenden
Brüdern. „Deine Ausführungen sind verfehlt, und das gleich in mehrfacher
Hinsicht. Einmal, was die Schwangerschaft deiner Nichte betrifft. Bis jetzt
haben wir dafür nur ihre Behauptung …“
„Wir haben die Magusch befragt – die Vorzeichen sind
eindeutig: Statira erwartet einen Sohn.“
Kaufan machte eine wegwerfende Handbewegung. „Selbst wenn an
dem Gerücht etwas dran wäre, so verfügt der König doch bereits über einen Erben
– Herakles, den Sohn meiner Schwester Barschina.“ Kaufans Brüder, Schwäger,
Neffen und sonstigen Anverwandten, es mussten mindestens zwanzig sein,
signalisierten ihre Zustimmung ebenso lautstark wie zuvor Okschatras Anhänger.
Darajavahuschs Bruder verzog abschätzig den Mund. „Wir alle
wissen, dass der König deine Schwester niemals in aller Form zur Frau genommen
hat. Sie kann höchstens als Konkubine gelten, nicht aber als rechtmäßige
Königsgemahlin. Ihr Sohn ist daher nicht erbberechtigt.“
„Auch wenn es keine förmliche Hochzeitszeremonie gegeben
hat“, mischte sich Arschama ein, einer von Kaufans jüngeren Brüdern, „so ist
Barschina doch eine rechtmäßige Gemahlin des Königs, und zwar nach den Gesetzen
seines eigenen Volkes, die sich in diesem Punkt von unseren unterscheiden.“
Auch Kaufan und seine Brüder hatten sich sorgfältig informiert, vielleicht
sogar bei Eumenes wie Paruschjati selbst; immerhin gehörte er gewissermaßen zur
Familie. „Der König hat Herakles als seinen Sohn anerkannt und ihm sogar den
Namen seines Ahnherrn verliehen, des Begründers seines Hauses.“
„Trotzdem gebührt dem Sohn meiner Nichte der Vorrang. Statira
ist die Tochter des letzten Großkönigs.“
„Auch unsere Schwester ist von königlicher Herkunft, ihre
Großmutter war eine Tochter von …“
Vidarna, der neben Paruschjati saß, stand auf. „Ich möchte
daran erinnern, dass auch die Königin Paruschjati die Tochter eines Großkönigs
ist, nämlich von Artakschatra, unter dessen Herrschaft das Reich der Parsa noch
groß und mächtig war. Ihr Sohn hätte ohne Zweifel den am besten begründeten
Erbanspruch.“
Gedämpftes Gemurmel erhob sich. Seit Tagen versuchte man von
allen möglichen Seiten aus Paruschjati herauszuholen, ob sie schwanger war oder
nicht, doch die Männer, die hier über die Thronfolge beraten wollten, schienen
von Vidarnas Erklärung überrascht zu sein. Siebzig verblüffte Gesichter
starrten Paruschjati an. Schließlich erhob sich ein Mann namens Vischtaspa.
„Banuka.“ Er verneigte sich vor Paruschjati. „Ich bitte dich
zu entschuldigen, dass ich mich nicht nur über die Etikette, sondern auch über
alle Regeln der Höflichkeit hinwegsetze. Doch die Lage ist ernst. Daher frage
ich dich geradeheraus: Sagt dein Schwager die Wahrheit? Erwartest du ein Kind?“
Vischtaspa war ein entfernter Verwandter Okschatras, weshalb
Paruschjati ihn automatisch zu dessen Anhängern gerechnet hatte. Angesichts
seines plötzlichen Interesses erinnerte sie sich, dass er mit einer Cousine von
ihr verheiratet war, nein, einer Nichte, der Tochter eines viel älteren
Halbbruders. Da Vischtaspa seine Frage direkt an sie gerichtet hatte, fühlte
sie sich berechtigt, ihm zu antworten, ohne ihr Versprechen an Vidarna zu
brechen.
„Es gibt Anzeichen dafür.“ Mehr konnte und wollte sie nicht
sagen.
In das lauter werdende Gemurmel hinein sagte Okschatra:
„Selbst wenn das wahr wäre, käme meiner Nichte der Vorrang zu, denn sie ist die
Tochter des letzten Großkönigs.“
„Darajavahusch hat die Würde eines Großkönigs verloren, als
er zweimal vom Schlachtfeld geflohen ist“, rief Vidarna hitzig.
Okschatra griff nach dem Akinaka an seinem Gürtel. „Wie
kannst du es wagen, das Andenken meines Bruders zu beschmutzen?“
Seine Anhänger stimmten ihm zu, während andere Vidarnas
Partei ergriffen. Nur Vahauka rührte sich nicht. Völlig unbewegt verfolgte er
die
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