Die Perserinnen - Babylon 323
eintreten können. Schade, dass Atarepata weit
weg in Mada ist, wir könnten ihn hier gut brauchen. Barschinas Verwandte sind
so zahlreich wie die Sandkörner am Meer, und so gern ich sie alle bisher auch
mochte, wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass sie von nun an unsere
Gegner sind …“
„Ich komme mit!“
„Wohin?“, fragte Vidarna und blinzelte irritiert.
„Zu dieser Beratung.“
Er starrte sie entgeistert an. „Es sind natürlich nur Männer
eingeladen!“
„Wie du schon sagtest, habe ich kaum noch männliche
Verwandte. Deshalb werde ich selbst für mich sprechen.“
„Ausgeschlossen! Frauen nehmen an solchen Beratungen nicht
teil.“
„Warum nicht?“
„Weil … das nicht ihre Aufgabe ist.“
Paruschjati schwang die Füße von dem Schemel, auf den
Mannuja sie hochgelegt hatte, und starrte Vidarna wütend an. „Heute Nacht habe
ich kaum geschlafen vor Sorgen, und heute Morgen habe ich mir wieder einmal die
Eingeweide aus dem Leib gespuckt. Wenn wir Frauen all das auf uns nehmen
können, um einem Kind das Leben zu schenken, dann können wir auch darüber
mitbestimmen, was mit ihm werden soll. Kein Wort mehr davon, was die Aufgabe
einer Frau ist und was nicht!“
„Schon gut.“ Er war so eingeschüchtert von ihrem Ausbruch,
dass er nachgab. „Unter einer Bedingung: Du wirst nur zuhören und auf keinen
Fall selbst das Wort ergreifen. Das musst du mir versprechen. Du bist die
Schwester meine Frau, und ich werde alles für dich tun, was in meiner Macht
steht. Aber das kann ich nur, wenn ich in den Augen der anderen Männer nicht
mein Gesicht verliere.“
„Einverstanden.“ Sie wusste, dass sie ihm mehr nicht zumuten
konnte.
Als Paruschjati den Saal betrat, riss das gedämpfte Gemurmel
schlagartig ab, und etwa siebzig überraschte Augenpaare richteten sich auf sie.
Die Männer saßen auf Stühlen im Kreis, alle in die zeremoniellen Gewänder
gekleidet, wie sie früher am Hof des Großkönigs getragen worden waren. Einer
nach dem anderen sprang auf, je nachdem, wie lange er benötigte, um seine
Bestürzung zu überwinden, und verbeugte sich. Dann schielten alle fragend zu
Vidarna.
„Die Königin Paruschjati wird an unserer Versammlung teilnehmen“,
erklärte er scheinbar ungerührt. Wenn Vidarna sich erst einmal auf eine Sache
eingelassen hatte, dann stand er zu ihr, was immer er auch in Wirklichkeit von
ihr halten mochte.
„Die Anwesenheit von Frauen ist bei einem solchen Treffen
nicht ... üblich“, sagte Okschatra. Es hörte sich an, als ob er eigentlich
„erwünscht“ hatte sagen wollen.
„Trotzdem wird die Königin bleiben und zuhören.“ Das letzte
Wort betonte Vidarna kaum merklich. Seine Stimme klang selbstsicher, auch wenn
er Paruschjati innerlich wahrscheinlich verfluchte.
Aller Augen richteten sich nun auf Okschatra, der
unschlüssig wirkte. Paruschjati war bewusst, dass sie dank ihrer
Unverfrorenheit am längeren Hebel saß. Wenn er sie loswerden wollte, dann ging
das nur mit Gewalt, und so weit konnte er nicht gehen.
Sie hatte richtig kalkuliert. Okschatra machte eine halb
resignierte, halb verächtliche Handbewegung. Stühle wurden gerückt, ein Sessel
und eine Fußbank herbeigetragen, und sobald Paruschjati Platz genommen hatte,
setzten sich auch alle anderen wieder. Sie saß zwar ein wenig außerhalb des
Kreises, hatte aber trotzdem einen guten Überblick über die Anwesenden.
„In den alten Zeiten, wenn der Großkönig krank war oder aus
anderen Gründen nicht für das Reich Sorge tragen konnte, da kamen die Großen
der Parsa zusammen, um es an seiner Stelle zu tun“, eröffnete Okschatra
salbungsvoll die Versammlung. In blumiger Sprache erinnerte er an die Zeit, als
das Reich der Parsa groß und mächtig gewesen war. An den Ruhm der Großkönige,
die es mit Großmut, aber auch Stärke gelenkt hatten. Und an die Großen der
Parsa (und der anderen Arija), die den Königen dabei in unverbrüchlicher Treue
mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatten.
„So haben auch wir uns heute versammelt, um über die Zukunft
unseres Reiches zu beraten. Der König ist krank, doch wir alle hoffen, dass er
bald wieder genesen wird. Wir beten darum, dass Ahura Mazda seinen Segen auf
ihm ruhen lasse …“ Alle Anwesenden erhoben sich kurz, murmelten einen
Segensspruch und setzten sich wieder. „Dennoch müssen wir für die Zukunft Sorge
tragen. Umso mehr, als der nächste Herrscher einer aus unserer Mitte sein wird,
der Sohn meiner Nichte, der Königin Statira, der
Weitere Kostenlose Bücher