Die Perserinnen - Babylon 323
Interesse an kriegerischen
Frauen hatten. „Wenn sie Amazonen wollen“, hatte er im Familienkreis gesagt,
„dann sollen sie eben Amazonen bekommen.“ Anschließend hatte er von der
Amazonenkönigin erzählt, die vor ein paar Jahren zu Alexander in Heerlager
gekommen war, weil sie angeblich ein Kind von ihm wünschte. „Sie hat bekommen,
was sie wollte“, hatte Atarepata mit anzüglichem Augengezwinker gesagt.
„Parmusch, das war einfach nur peinlich“, sagte Paruschjati.
„Ich weiß, du und Atarepata, ihr meint es nur gut, aber ich möchte nicht, dass
ihr euch einmischt. Ich kann sehr gut selbst …“
„Seht, da stimmt etwas nicht!“, rief Gambija zu ihnen
herauf. Sie hatte ihr Pferd auf halber Höhe des Hügels gezügelt und deutete mit
der Hand hinunter zur Stadt.
Eine Gruppe von Reitern hielt vom Stadion aus auf das
nächstgelegene Stadttor zu. Sie schienen es eilig zu haben. Ein einzelner
Reiter war den anderen weit voraus und jagte in gestrecktem Galopp dahin. Sein
Mantel flatterte hinter ihm her, er schimmerte purpurfarben und golden. Obwohl
Paruschjati auf die weite Entfernung keine Einzelheiten erkennen konnte, war
sie sicher, dass es der König war.
„Wir sollten besser zurückreiten“, murmelte sie, nicht nur,
um der unerfreulichen Unterhaltung ein Ende zu bereiten, sondern auch, weil ein
ungutes Gefühl in ihr hochstieg. Welche Nachricht konnte so wichtig sein, dass
der König Hals über Kopf seine geliebten Spiele im Stich ließ?
In der Stadt herrschte eine seltsame Atmosphäre. Die Straßen
waren voller Menschen, die beunruhigt hinauf zum Palast schauten, doch niemand
konnte ihnen sagen, was los war. Im Palast selbst war es nicht anders. Sie
folgten einfach dem Strom der Menge, der sie in einen Innenhof nicht weit von
den königlichen Gemächern spülte. Aus dem Gebäude an der Nordseite war
anhaltendes Schreien zu hören, wild und verzweifelt wie das eines Tieres, das in
eine Falle geraten war und erkannt hatte, dass es kein Entkommen gab.
Die Vorhalle war überfüllt von Menschen. Hier war kein
Durchkommen, doch es dauerte nicht lange, bis Atarepata sich mit besorgtem
Gesicht durch die Menge kämpfte.
„Hephaistion ist tot“, sagte er.
Die vielen Menschen, ihr Gedränge und Lärmen, alles um
Paruschjati herum schien in Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Hephaistion hatte ein paar Tage lang Fieber gehabt und war
deshalb den Wettkämpfen ferngeblieben. Niemand hatte sich etwas dabei gedacht.
Warum auch? Makedonische Soldaten machten nicht viel Aufhebens um solche
Kinkerlitzchen. Alle hatten gedacht, dass Hephaistion sich längst wieder auf
dem Weg der Besserung befand. Wie aus weiter Entfernung bemerkte Paruschjati,
wie Parmusch und Atarepata miteinander sprachen, doch sie hörte nur das
schreckliche Schreien aus dem Palast, und es kam ihr vor, als sei sie selbst
es, die schrie.
Die Menge vor dem Eingang teilte sich, Soldaten zerrten
einen griechisch gekleideten Mann nach draußen. Wie ohnmächtig hing er in ihrem
Griff. Sein Gesicht war von Angst verzerrt, die Augen jedoch so ausdruckslos,
als sei er bereits tot.
„Der Arzt“, erklärte Atarepata. „Er ist zu den Spielen
gegangen, deshalb war er nicht da, als sich Hephaistions Zustand verschlechterte."
Unwillkürlich verstummten die Menschen, als die Wachen den
Todgeweihten an ihnen vorüberschleppten, sodass die Schreie von drinnen umso
deutlicher zu hören war.
Sie hallten durch den Palast bis zum Abend. Dann, so
berichtete Atarepata, zerrten die Freunde des Königs ihn von dem Leichnam
herunter, an den er sich wie ein Ertrinkender geklammert hatte. Drei Tage lang
blieb er in seinen Gemächern. Er aß nicht, trank nicht, sprach nicht. Lag den
ganzen Tag nur auf seinem Bett und weinte.
Es betrifft mich nicht, sagte Paruschjati wieder und wieder
zu sich. Ich kannte ihn kaum. Er war ein Fremder für mich. Es war nur eine
jugendliche Schwärmerei, albern und kindisch wie die von Statira für den König.
So dachte sie immer wieder, als könne sie es irgendwann glauben, wenn sie es
nur oft genug wiederholte.
Sobald sie die Kraft dazu fand, besuchte sie Drupati, um ihr
ihr Beileid auszusprechen. Hephaistions Witwe saß in einem Empfangsraum in
einem Sessel, ihr Gesicht war blass und ausdruckslos. Statira war bei ihr, sie
hatte den Arm um die Schultern ihrer Schwestern gelegt und hielt ihre Hand. Als
Paruschjati näher kam, stand Drupati auf. Paruschjati umarmte sie und
flüsterte: „Es tut mir so leid!“
„Ich danke dir.
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