Die Perserinnen - Babylon 323
Ich weiß, wie sehr du meinen Kummer teilst“,
sagte Drupati. „So wie ich den deinen.“
Sie weiß Bescheid“, durchfuhr es Paruschjati, sie hat mich
durchschaut, aber sie wird mich nicht verraten. Sie küsste Drupatis Wange.
„Der König hat reichsweite Trauer angeordnet“, flüsterte
Drupati. „Er hat Befehl gegeben, die heiligen Feuer zu löschen.“
Paruschjati machte sich von ihr los und starrte sie voller
Entsetzen an. Auch Statira blickte besorgt, nicht einmal sie war so unbedarft,
die Bedeutung zu verkennen.
„Weiß er, was das bedeutet?“
„Onkel Okschatra hat es ihm gesagt.“
Die heiligen Feuer, die überall im Reich für den König
brannten, genährt und bewahrt von den Magiern, wurden nur gelöscht, wenn ein
König gestorben war. „Er ist auch Alexander.“ So gesehen, war der Befehl des
Königs konsequent. Doch war er sich auch über seine Tragweite im Klaren?
Erkannte er nicht das böse Vorzeichen, mit dem er auf seinen eigenen Tod
hindeutete? Oder war es ihm gleichgültig, nachdem ein Teil von ihm schon
gestorben war?
Unter der Trauer begann sich ein altes, lange vergessenes
Gefühl in Paruschjati zu regen.
Babylon, 28. Daisios
Der Rest des Tages war an Paruschjati vorübergezogen wie ein
böser Traum, und in der Nacht hatte sie kaum geschlafen. Der König würde
sterben. Die Frage, ob er vergiftet worden war, erschien ihr nun zweitrangig,
denn selbst wenn es so sein sollte, gab es nichts, was sie oder irgendjemand
noch dagegen tun konnte. Wieder einmal würde die Welt um sie herum
zusammenbrechen, und Furcht presste ihr Herz zusammen. Furcht vor einem
Blutbad, wie sie es schon zweimal beim Tod eines Königs erlebt hatte.
Sie hatte sich das Hirn zermartert, was sie nun tun sollte.
Doch das Angebot der Männer aus dem Osten annehmen? Oder in Babylon bleiben,
um, falls sie wirklich schwanger sein sollte, die Rechte ihres Kindes zu wahren?
Und was sollte sie wegen Bisthan unternehmen? Mit seiner wahnwitzigen
Verschwörung wollte sie nichts zu tun haben, allein schon nicht wegen ihres
Kindes, das niemals in seine Pläne passen würde. Aber auch, weil sie das
Blutvergießen verabscheute, zu dem der geplante Aufstand unweigerlich führen
würde. Bisthans Vorhaben konnte keinen Erfolg haben – niemand bei klarem
Verstand würde sich ihm anschließen. Er und seine Mitverschworenen würden mit
ihrem Leben bezahlen – und Paruschjati ebenfalls, wenn sie nicht zu ihm auf
Distanz ging. Selbst wenn der Aufstand wider Erwarten erfolgreich sein sollte:
Die Vorstellung vom Tod Tausender Menschen in Babylon erfüllte sie mit
abgrundtiefem Entsetzen, auch wenn sie Fremde waren und noch dazu
Eindringlinge, die das Reich ihrer Vorfahren vernichtet hatten.
Nein, sie musste Bisthan Einhalt gebieten, doch sie wusste
nicht, wie. Inzwischen war sie fast sicher, dass das, was er gesagt hatte, auf
Wahrheit beruhte. Seine Ähnlichkeit mit Arescha war unübersehbar. Dieser Mann
war ihr einziger überlebender Blutsverwandter – sie konnte ihn nicht verraten.
Vielleicht, überlegte sie, konnte sie ihn in eine Falle locken und von ihren
Eunuchen überwältigen lassen. Ihn aus der Stadt schaffen, ohne dass jemand von
seiner Existenz erfuhr. Die halbe Nacht hatte sie wach gelegen und sich Pläne
ausgedacht, einer absurder als der andere.
Am Morgen ließ sich in aller Frühe Vidarna bei ihr melden.
„Nun ist es also sicher: Der König wird sterben“, sagte er,
während er mit ernstem Gesicht auf und ab ging, die Hand auf dem Griff seines
Akinaka. „Okschatra hat alle persischen Männer von Rang, die sich zurzeit in
Babiru aufhalten, für heute Morgen in die Gemächer der Königinmutter
eingeladen. Wir sollen darüber beraten, was ...“
„Kennst du einen Mann namens Bisthan?“, unterbrach
Paruschjati ihn.
„Bisthan?“ Er blieb stehen und starrte sie überrascht an.
„Es gab da einen Sohn deines Vaters, der Bagauvas Wüten entkommen sein soll. Es
heißt, er habe sich dem König nach Darajavahuschs Flucht in Hangmatana ergeben.
Seitdem hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Warum fragst du?“
„Nur so.“
„Aha.“ Seine Gedanken waren woanders, vielleicht hakte er
deshalb nicht nach. „Angeblich sollen wir beraten, wie es nach dem Tod des
Königs weitergehen soll, aber in Wirklichkeit geht es Okschatra nur darum, die
Ansprüche seiner Nichte und des Sohnes, den sie angeblich erwartet,
durchzusetzen. Bedauerlicherweise hast du außer mir nur wenige männliche
Verwandte, die für deine Rechte
Weitere Kostenlose Bücher